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Recht: Das Recht ist eine Reihe von Regeln, die von sozialen oder staatlichen Institutionen geschaffen werden und durchsetzbar sind, um das Verhalten zu regeln. Das Recht trägt dazu bei, die Rechte der Menschen zu wahren und zu schützen. Siehe auch Rechte, Gesellschaft, Staat, Rechtsprechung.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Max Weber über Recht – Lexikon der Argumente

Habermas III 231
Recht/Weber/Habermas: Die kognitive Verselbständigung von Recht und Moral, d.h. die Ablösung moralisch-praktischer Einsichten ethischer und rechtlicher Doktrinen, Grundsätze, Maximen und Entscheidungsregeln von Weltbildern, in die sie zunächst eingebettet waren, nennt Weber Rationalisierung. Kosmologische, religiöse und metaphysische Weltbilder sind so strukturiert, dass die internen Unterschied zwischen theoretischer und praktischer Vernunft noch nicht zur Geltung kommen können.
>Moral
, >Ethik, >Weltbilder, >Rationalisierung, >Rationalität.
Habermas III 232
Die Autonomisierung von Recht und Moral führt zum formalen Recht und zu profanen Gesinnungs- und Verantwortungsethiken.
>Gesinnungsethik, >Verantwortung.
Freilich bahnt sich diese Autonomisierung selbst noch innerhalb religiöser Deutungssysteme an. Das führt zur Dichotomisierung zwischen einer Heilssuche, die an inneren Heilsgütern und Erlösungsmitteln orientiert ist, und der Erkenntnis einer äußeren, objektivierten Welt. Weber zeigt, wie sich aus dieser Gesinnungsreligiosität gesinnungsethische Ansätze entwickeln.(1)
>Religion.
Habermas III 278
Recht/Weber/Habermas: Für die Entstehung des modernen Rechts muss Weber einen Vorgang postulieren, der parallel, wenn auch nicht gleichzeitig von ihm für die Rationalisierung von Weltbildern angenommen wird.
>Weltbilder/Weber.
Die Verfügbarkeit posttraditionaler Rechtsvorstellungen ist noch nicht identisch mit der Durchsetzung eines modernen Rechtssystems. Erst auf der Grundlage eines rationalen Naturrechts gelingt es, Rechtsmaterien in Grundbegriffen des formalen Rechts so zu rekonstruieren, dass Rechtsinstitutionen geschaffen werden können, die universalistischen Grundsätzen formal genügen können.
Vgl. >Naturrecht.
Diese müssen privaten Geschäftsverkehr der Warenbesitzer untereinander und die komplementäre Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung regeln.
HabermasVsWeber: Weber zeigt die Parallelität dieser beiden Vorgänge nicht deutlich genug.
Habermas III 332
Recht/Weber/HabermasVsWeber/Habermas: Die theoretische Stellung des Rechts in seiner Theorie der Rationalisierung ist bei Weber insofern zweideutig, als sie gleichzeitig die Institutionalisierung zweckrationalen Wirtschafts- und Verwaltungshandelns erlaubt und auch die Ablösung der Subsysteme von ihren moralisch-praktischen Grundlagen zu ermöglichen scheint. Die dialektische Erklärung der widerstreitenden Entwicklungen von Wissenschaft und Religion lässt sich auf die Entwicklung des Rechts nicht übertragen, da dieses von Anfang an in säkularisierter Form auftritt.
Habermas: Weber deutet das moderne Recht so um, dass es von der evaluativen Wertsphäre getrennt ist.
Habermas III 346
HabermasVsWeber: Weber deutet die Legitimationsproblematik empiristisch um und entkoppelt das politische System von Formen moralisch-praktischer Rationalität. Er schneidet auch die politische Willensbildung auf Prozesse des Machterwerbs und der Machtkonkurrenz zurück.
>Legitimität, >Legitimation, >Rechtfertigung, >Letztbegründung.
Recht/Weber: Soweit sich das normative Einverständnis auf Tradition stützt, spricht Weber von konventionellem Gemeinschaftshandeln. In dem Maße, wie dieses durch erfolgsorientiertes, zweckrationales Handeln ersetzt wird, entsteht das Problem, wie diese neuen Spielräume ihrerseits legitim, d.h. normativ verbindlich geordnet werden können. Rationales Gesellschaftshandeln tritt an die Stellen von konventionellem Gemeinschaftshandeln.
>Zweckrationalität, >Konventionen, >Gemeinschaft.
Habermas III 347
Allein die Prozedur des Zustandekommens begründet die Vermutung, das ein normatives Einverständnis rational motiviert ist. Lediglich innerhalb normativ festgelegter Grenzen dürfen die Rechtssubjekte ohne Rücksicht auf Konventionen zweckrational handeln.
HabermasVsWeber: Weber schwankt hier zwischen diskursiver Vereinbarung und willkürlicher Satzung.
Habermas III 351
Modernes bürgerliches Privatrecht/Weber/Habermas: Das moderne bürgerliche Privatrecht wird durch drei formale Merkmale charakterisiert: Positivität, Legalismus und Formalität.
Def Positivität/Habermas: Positiv gesetztes Recht wird nicht durch Interpretation anerkannter und geheiligter Traditionen fortgebildet, es drückt vielmehr den Willen eines souveränen
Habermas III 352
Gesetzgebers aus, der mit rechtlichen Organisationsmittel soziale Tatbestände konventionell regelt.
Def Legalismus/Habermas: Den Rechtspersonen werden außer einem generellen Rechtsgehorsam keine sittlichen Motive unterstellt. Es schützt ihre privaten Neigungen innerhalb sanktionierter Grenzen. Nicht nur böse Gesinnungen, sondern auch normabweichende Handlungen werden sanktioniert, wobei Zurechnungsfähigkeit vorausgesetzt wird.
Def Formalität/Recht/Habermas: Das moderne Recht definiert Bereiche der legitimen Willkür von Privatpersonen. Die Willkürfreiheit der Rechtspersonen in einem sittlich neutralisierten Bereich privater, aber mit Rechtsfolgen verknüpfter Handlungen wird vorausgesetzt. Der Privatrechtsverkehr kann daher negativ auf dem Wege der Einschränkung von prinzipiell anerkannten Berechtigungen geregelt werden (anstelle einer positiven Regelung über konkrete Pflichten und materiale Gebote). In diesem Bereich ist alles erlaubt, was nicht rechtlich verboten ist.
Habermas: Die diesen Merkmalen entsprechende Systemfunktionalität ergibt sich aus Rechtstrukturen, in denen zweckrationales Handeln allgemein werden kann. Sie erklärt nicht, wie diese Rechtstrukturen selbst möglich sind.
Habermas III 353
Erklärt wird die Form des modernen Rechts vielmehr aus den posttraditionalen Bewusstseinsstrukturen, die es verkörpert.
HabermasVsWeber: Weber müsste das moderne Rechtssystem als eine Lebensordnung verstehen, die der moralisch-praktischen Lebensführung zugeordnet ist. Dem widerspricht aber Webers Versuch, die Rationalisierung des Rechs ausschließlich unter dem Aspekt der Zweckrationalität zu betrachten.
Habermas: erst auf einer postkonventionellen Stufe entsteht die Idee der grundsätzlichen Kritisierbarkeit und Rechtfertigungsbedürftigkeit von Rechtsnormen.
Habermas III 354
Modernes Recht/Weber/Habermas: Weber trennt Moralität und Legalität. Das bedarf einer praktischen Rechtfertigung. Die moralfreie Sphäre des Rechts verweist auf eine ihrerseits in Prinzipien begründete Moral. Die Leistung der Positivierung besteht darin, Begründungsprobleme zu verlagern, d.h. die technische Handhabung des Rechs von Begründungsproblemen zu entlasten, diese Begründungsprobleme aber nicht zu beseitigen. Ausdruck dieser strukturell notwendig gewordenen Rechtfertigung ist der Katalog der Grundrechte, den die bürgerlichen Verfassungen neben dem Grundsatz der Volkssouveränität enthalten.
Habermas III 357
Modernes Recht/Weber: für Weber ist modernes Recht im positivistischen Sinn als das Recht zu verstehen, das durch Dezision gesetzt wird und von rationalem Einverständnis, von Begründungsvorstellungen, und seien diese noch so formal, völlig losgelöst ist.
WeberVsNaturrecht: These: Es kann kein rein formales Naturrecht geben.
Sein-Sollen/Weber: Das Gelten-Sollende gilt als identisch mit dem faktisch im Durchschnitt überall Seienden; die durch logische Bearbeitung von Begriffen juristischen oder ethischen, gewonnenen ‚Normen‘ gehören im gleich Sinn wie die ‚Naturgesetze‘ zu denjenigen allgemein verbindlichen Regeln, welche ‚Gott selbst nicht ändern kann‘ und gegen welche eine Rechtsordnung sich nicht aufzulehnen versuchen darf.“(2)
>Naturrecht.
Habermas III 358
HabermasVsWeber: Weber verwechselt die formalen Eigenschaften eines post-traditionellen Begründungsniveaus mit besonderen materiellen Werten. Er unterscheidet auch am rationalen Naturrecht nicht hinreichend zwischen strukturellen und inhaltlichen Aspekten und kann deshalb „Natur“ und „Vernunft“ mit Wertinhalten gleichsetzen, von denen sich das im strikten Sinn moderne Recht als ein Instrument zur Durchsetzung beliebiger Werte und Interessen löst.
>Fundierung/Weber.
Habermas III 362
Verfahrenslegitimität/Zweckrationalität/Recht/HabermasVsWeber: Sobald die Rationalisierung des Rechts zu einer Frage der zweckrationalen Organisation zweckrationalen Wirtschaftens und Verwaltens uminterpretiert wird, können Fragen der institutionellen Verkörperung moralisch-praktischer Rationalität nicht nur beiseite geschoben, sondern geradezu in ihr Gegenteil verkehrt werden: Diese erscheinen nun als Quelle von Irrationalität, jedenfalls von „Motiven, welche den formalen Rationalismus des Rechts abschwächen.“ (3)
Habermas: Weber verwechselt den Rekurs auf die Begründung legaler Herrschaft mit einer Berufung auf partikulare Werte.
- - -
Habermas IV 122
Recht/Weber/Habermas: Frage: wie kann ein Vertrag die Parteien binden, wenn die sakrale Grundlage des Rechts entfallen ist?
Lösung/Hobbes/Weber/Habermas: Die Standardantwort ist seit Hobbes und bis zu Max Weber, dass das moderne Recht eben Zwangsrecht ist. Der Verinnerlichung der Moral entspricht eine komplementäre Verwandlung des Rechts in eine äußerlich auferlegte, staatlich autorisierte und auf den staatlichen Sanktionsapparat gestützte Gewalt. Die gleichsam automatische Erzwingbarkeit der Erfüllung von Rechtsansprüchen
Habermas IV 123
soll den Gehorsam garantieren.
>Gehorsam.
DurkheimVsHobbes/DurkheimVsWeber/Habermas: Damit gibt sich Durkheim nicht zufrieden. Auch der Gehorsam muss einen moralischen Kern haben. Das Rechtssystem ist nämlich Teil einer politischen Ordnung, mit der es verfallen würde, wenn diese nicht Legitimität beanspruchen könnte.
>E. Durkheim.

1. M. Weber, Gesammelte Ausätze zur Religionssoziologie, Bd. I. 1963, S. 541.
2. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, hrsg.v. J. Winckelmann, Tübingen 1964,S. 638
3. Ebenda S. 654

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Weber I
M. Weber
Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus München 2013

Ha I
J. Habermas
Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988

Ha III
Jürgen Habermas
Theorie des kommunikativen Handelns Bd. I Frankfurt/M. 1981

Ha IV
Jürgen Habermas
Theorie des kommunikativen Handelns Bd. II Frankfurt/M. 1981

Ha I
J. Habermas
Der philosophische Diskurs der Moderne Frankfurt 1988

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