Philosophie Lexikon der Argumente

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Überdetermination, Philosophie: Der Begriff der Überdetermination hat verschiedene Bedeutungen. A. Das Erfülltsein mehrerer, für sich allein hinreichender Bedingungen für das Eintreten eines Ereignisses, wobei keine weitere Bestimmung der aktuellen Ursache gegeben werden kann. B. Die gleichzeitige Zuschreibbarkeit einer Eigenschaft und ihres Gegenteils, soweit sich dieses Gegenteil einer Eigenschaft formulieren lässt. C. Wenn es nur um den Wahrheitswert (Wahrheit oder Falschheit) einer Aussage geht, stellt die Zuschreibung von Eigenschaften an Gegenstände, die den Wahrheitswert nicht ändern, eine Überdeterminierung dar. Siehe auch Unbestimmtheit, Erfüllung, Erfüllbarkeit, Determinismus.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Paul Ricoeur über Überdetermination – Lexikon der Argumente

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Überdetermination/Freud/Ricoeur: [die Arbeiten der Verschiebung und der Verdichtung (>Terminologie/Freud
, >Traumdeutung/Ricoeur)] bezeugen im Bereich des Sinns, eine Überdeterminierung, die an die >Deutung appelliert. Von jedem Element des Trauminhalts kann man sagen, es erweise sich als überdeterminiert, »als mehrfach in
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den Traumgedanken vertreten«(1). Diese Überdeterminierung beherrscht auch, obwohl auf andere Weise, die Traumverdichtung und die Traumverschiebung; für die Verdichtung (>Terminologie/Freud) liegt dies auf der Hand: hier gilt es, mittels der freien Assoziation die Vielfalt der Bedeutungen herauszuarbeiten und zu explizieren. Doch die Verschiebung, die mehr die psychischen Intensitäten als die Zahl der Vorstellungen betrifft, bedarf der Überdeterminierung nicht minder; um neue Wertigkeiten zu schaffen, die Akzente zu versetzen, die Intensitäten
zu verlagern, muss die Verschiebung den Weg der Überdeterminierung beschreiten.(2)
Freud »Es liegt nun der Einfall nahe, dass bei der Traumarbeit eine psychische Macht sich äußert, die einerseits die psychisch hochwertigen Elemente ihrer Intensität entkleidet, und andererseits auf dem Wege der Überdeterminierung aus minderwertigen, neue Wertigkeiten schafft, die dann in den Trauminhalt gelangen. Wenn das so zugeht, so hat bei der Traumbildung eine Übertragung und Verschiebung der psychischen Intensitäten der einzelnen Elemente stattgefunden, als deren Folge die Textverschiedenheit von Trauminhalt und Traumgedanken erscheint. Dieser Vorgang, den wir so supponieren, ist geradezu das wesentliche Stück der Traumarbeit: er verdient den Namen der Traumverschiebung. Traumverschiebung und Traumverdichtung sind die beiden
Werkmeister, deren Tätigkeit wir die Gestaltung des Traumes hauptsächlich zuschreiben dürfen.«(3)
Ricoeur: Es besteht also zwischen der »Überdeterminierung“ (oder »mehrfachen Determinierung«) und der Verschiebungs- oder Verdichtungsarbeit die gleiche Relation wie zwischen Sinn und Kraft. >Regression/Ricoeur.


1. S. Freud, GW II/III, 289.
2. Ebenda, 313.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Ricoeur I
Paul Ricoeur
Die Interpretation. Ein Versuch über Freud Frankfurt/M. 1999

Ricoeur II
Paul Ricoeur
Interpretation theory: discourse and the surplus of meaning Fort Worth 1976

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