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Urteilskraft: Kants Urteilskraft bezieht sich auf die Fähigkeit des Menschen, ästhetische, moralische oder teleologische Urteile zu fällen, ohne auf klare Regeln oder Erfahrung zurückzugreifen. Sie vereint Verstand und Sinnlichkeit, um ästhetische Schönheit zu beurteilen und moralische Prinzipien zu erkennen, indem sie subjektive Eindrücke in universelle Maßstäbe überführt. Siehe auch Urteile, Verstand, Wissen, Ästhetik, Moral.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Urteilskraft – Lexikon der Argumente

Gadamer I 36
Urteilskraft/Geisteswissenschaften/Gadamer: Der „Gesunde Menschenverstand“ (...) ist (...) durch Urteilskraft entscheidend charakterisiert.
>Sensus communis
, >Common sense.
Die Einführung des Wortes im 18. Jahrhundert will also den Begriff des iudicium angemessen wiedergeben, der als eine geistige Grundtugend zu gelten hat.
Sensus communis: Im selben Sinne betonen die englischen Moralphilosophen, dass die moralischen und ästhetischen Beurteilungen nicht der reason gehorchen, sondern den Charakter des sentiment (bzw. taste) haben, und ähnlich sieht Tetens, einer der Repräsentanten der deutschen Aufklärung, im sensus communis ein „iudicium ohne Reflexion“(1).
Urteilskraft: In der Tat ist die Tätigkeit der Urteilskraft, ein Besonderes unter ein Allgemeines zu subsumieren, etwas als Fall einer Regel zu erkennen, logisch nicht demonstrierbar. Die Urteilskraft befindet sich daher in einer grundsätzlichen Verlegenheit wegen eines Prinzips, das ihre Anwendung leiten könnte. Sie würde für die Befolgung dieses Prinzips selber wieder einer anderen Urteilskraft bedürfen, wie Kant scharfsinnig bemerkt(2). Sie kann daher nicht im allgemeinen gelehrt, sondern nur von Fall zu Fall geübt werden und ist insofern mehr eine Fähigkeit, wie es die
Sinne sind. Sie ist etwas schlechthin Unerlernbares, weil keine Demonstration aus Begriffen die Anwendung von Regeln zu leiten vermag.
Vgl. >Regelfolgen.
Aufklärung: Konsequenterweise hat die deutsche Aufklärungsphilosophie deshalb die Urteilskraft nicht dem höheren Vermögen des Geistes zugerechnet, sondern dem niederen Erkenntnisvermögen. Sie hat damit eine Richtung eingeschlagen, die von dem ursprünglich römischen Sinn von sensus communis weit abgeht und die scholastische Tradition fortführt. Das sollte für die Ästhetik
eine besondere Bedeutung erhalten.
>Urteilskraft/Baumgarten.
I 37
Urteilskraft/GadamerVsKant/Gadamer: Die Allgemeinheit, die dem Urteilsvermögen zugeschrieben wird, ist gar nichts so „gemeines“ wie Kant darin sieht. Urteilskraft ist überhaupt nicht so
sehr eine Fähigkeit als eine Forderung, die an alle zu stellen ist. Alle haben genug „gemeinen Sinn“ d. h. Urteilsvermögen, dass man ihnen den Beweis von „Gemeinsinn“ von echter sittlich-bürgerlicher Solidarität, d. h. aber: Urteil über Recht und Unrecht, und Sorge für den „gemeinen Nutzen“ zumuten kann. Das ist es, was V icos Berufung auf die humanistische Tradition so imposant macht, dass er gegenüber der Logisierung des Begriffs des Gemeinsinns die ganze inhaltliche Fülle dessen festhält, was in der römischen Tradition dieses Wortes lebendig war (...).
Shaftesbury/Gadamer: Ebenso war Shaftesburys Aufgreifen dieses
I 38
Begriffs, wie wir sahen (>Sensus communis/Shaftesbury), zugleich eine Anknüpfung an die politisch-gesellschaftliche Überlieferung des Humanismus. Der sensus communis ist ein Moment des bürgerlich-sittlichen Seins. Auch wo dieser Begriff, wie im Pietismus oder in der Philosophie der Schotten (>Th. Reid), eine polemische Wendung gegen die Metaphysik bedeutet, bleibt er damit noch in der Linie seiner ursprünglichen kritischen Funktion. Dagegen ist Kants Aufnahme dieses Begriffs in der „Kritik der Urteilskraft“ ganz anders akzentuiert(3).
>Urteilskraft/Kant.


1. Tetens, Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung,
Leipzig 1777, 1, 520.
2. Kant, Kritik der Urteilskraft 17992, S. Vll.
3. Kritik der Urteilskraft, S 40.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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