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Geschmack: Geschmack in der Kunst bezieht sich auf Vorlieben oder Urteile über die ästhetischen Qualitäten und Vorzüge von Kunstwerken. Er wird durch den kulturellen Hintergrund, die Bildung, die individuellen Erfahrungen und den Kontakt mit verschiedenen Arten von Kunst beeinflusst. Siehe auch Kunst, Kunstwerke, Ästhetik, Ästhetische Erfahrung, Ästhetisches Bewusstsein.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Geschmack – Lexikon der Argumente

I 41
Geschmack/Gadamer: Die Geschichte des Geschmacksbegriffs folgt (...) der Geschichte des Absolutismus von Spanien (>Geschmack/Gracian
) nach Frankreich und England und fällt mit der Vorgeschichte des dritten Standes zusammen. Geschmack ist nicht nur das Ideal, das eine neue Gesellschaft aufstellt, sondern erstmals bildet sich im Zeichen diese Ideals des „guten Geschmacks“ das, was man seither die "gute Gesellschaft" nennt. Sie erkennt sich und legitimiert sich nicht mehr durch Geburt und Rang, sondern grundsätzlich durch nichts als die Gemeinsamkeit ihrer Urteile oder besser dadurch, dass sie sich überhaupt über die Borniertheit der Interessen und die Privatheit der Vorlieben zum Anspruch auf Urteil zu erheben weiß.
Im Begriff des Geschmacks ist also ohne Zweifel eine Erkenntnisweise gemeint. Es geschieht im Zeichen des guten Geschmacks, daß man zur Abstandnahme von sich selbst und den privaten Vorlieben fähig ist. Geschmack ist daher seinem eigensten Wesen nach nichts Privates, sondern ein
gesellschaftliches Phänomen ersten Ranges.
Vgl. >Geschmack/Kant.
I 42
Die Entschiedenheit des Geschmacksurteils schließt seinen Geltungsanspruch ein. Guter Geschmack ist sich seines Urteils stets sicher, d. h. er ist seinem Wesen nach sicherer Geschmack, ein Annehmen und Verwerfen, das kein Schwanken, Schielen nach dem Anderen und kein Suchen nach Gründen kennt. Der Geschmack ist also eher so etwas wie ein Sinn. Es verfügt nicht vorgängig über eine Erkenntnis aus Gründen.
>Mode/Gadamer, >Stil/Gadamer.
I 44
So beschränkt sich der Geschmack keineswegs auf das Schöne in Natur und Kunst, es auf seine dekorative Qualität hin beurteilend, sondern umfasst den ganzen Bereich von Sitte und Anstand. Auch die Begriffe der Sitte sind ja nie als ein Ganzes gegeben oder normativ eindeutig bestimmt. Vielmehr ist die Durchordnung des Lebens durch die Regeln des Rechts und der Sitte eine unvollständige, der produktiven Ergänzung bedürftige. Es bedarf der Urteilskraft, die konkreten Fälle richtig einzuschätzen.
I 62
Geschmack/Kunst/Gadamer: Es ist (...) einleuchtend, dass der Begriff des Geschmacks seine Bedeutung verliert, wenn das Phänomen der Kunst in den Vordergrund tritt. Der Standpunkt des Geschmacks ist gegenüber dem Kunstwerk ein sekundärer. Die Auswahlempfindlichkeit, die ihn ausmacht, hat gegenüber der Originalität des genialen Kunstwerks oft eine nivellierende Funktion.
Der Geschmack meidet das Ungewöhnliche und Ungeheure. Er ist ein Oberflächensinn, er lässt sich nicht ein auf das Originale einer künstlerischen Produktion. Schon der Aufstieg des Geniebegriffes im 18. Jahrhundert zeigt eine polemische Spitze gegen den Begriff des Geschmacks.
>Genie/Kant.

I 90
Geschmack/Gadamer: (...) die Einheit eines Geschmacksideals, das eine Gesellschaft auszeichnet und verbindet, [ist] von dem, was die Figur der ästhetischen Bildung ausmacht, charakteristisch verschieden. Der Geschmack folgt noch einem inhaltlichen Maßstab. Was in einer Gesellschaft
gilt, welcher Geschmack in ihr herrscht, das prägt die Gemeinsamkeit des gesellschaftlichen Lebens. Eine solche Gesellschaft wählt aus und weiß, was zu ihr gehört und was nicht. Auch der Besitz an künstlerischen Interessen ist für sie kein beliebiger und der Idee nach universaler, sondern was Künstler schaffen und was die Gesellschaft schätzt, gehört in der Einheit eines Lebensstiles und Geschmacksideals zusammen.
Ästhetische Bildung: Die Idee der ästhetischen Bildung dagegen - wie wir sie von Schiller herleiten (>Ästhetik/Schiller) - besteht gerade darin, keinen inhaltlichen Maßstab mehr gelten zu lassen und die Einheit der Zugehörigkeit eines Kunstwerks zu seiner Welt aufzulösen. Ausdruck dessen ist die universale Ausbreitung des Besitzes, den das ästhetisch gebildete Bewusstsein für sich in Anspruch nimmt.
>Bildung.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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