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Friedrich Schiller über Ästhetik – Lexikon der Argumente

Gadamer I 87
Ästhetik/Schiller/Gadamer: Schiller hat in seinen ästhetischen Schriften die radikale Subjektivierung, durch die Kant das Geschmacksurteil und seinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit transzendental gerechtfertigt hatte, aus einer methodischen in eine inhaltliche Voraussetzung gewandelt.(1) Zwar konnte er dabei an Kant selber anknüpfen, sofern Kant bereits dem Geschmack die Bedeutung eines Übergangs vom Sinnengenuss zum Sittengefühl zuerkannt hatte.(2) Indem Schiller aber die Kunst als eine Einübung der Freiheit proklamierte, bezog er sich mehr auf Fichte als auf Kant. Das
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freie Spiel der Erkenntnisvermögen, auf das Kant das Apriori des Geschmacks und des Genies gegründet hatte, verstand er anthropologisch von der Basis der Fichteschen Trieblehre aus, indem der Spieltrieb die Harmonie zwischen Formtrieb und Stofftrieb bewirken soll. >Geschmack
, >Genie.
Es hängt wohl mit der inneren Verschiebung in der ontologischen Basis der Schillerschen Ästhetik zusammen, dass sich auch sein großartiger Ansatz in den „Briefen über die ästhetische Erziehung“ in der Durchführung wandelt. Bekanntlich wird aus einer Erziehung durch die Kunst eine Erziehung zur Kunst. An die Stelle der wahren sittlichen und politischen Freiheit, zu der die Kunst vorbereiten
sollte, tritt die Bildung eines „ästhetischen Staates“ einer für die Kunst interessierten Bildungsgesellschaft(3). Damit wird aber auch die Überwindung des kantischen Dualismus von Sinnenwelt und Sittenwelt, die durch die Freiheit des ästhetischen Spiels und die Harmonie des Kunstwerks repräsentiert wird, in einen neuen Gegensatz genötigt. Die Versöhnung von Ideal
und Leben durch die Kunst ist lediglich eine partikulare Versöhnung. Das Schöne und die Kunst leihen der Wirklichkeit nur einen flüchtigen und verklärenden Schimmer.
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Der Begriff von Wirklichkeit, dem Schiller die Poesie entgegensetzt, ist gewiss nicht mehr kantisch. Denn Kant geht stets, wie wir sahen, vom Naturschönen aus. Vgl. >Kunst/Phänomenologie.


1. So kann man zusammenfassen, was in den Briefen »Über die ästhetische Erziehung
des Menschen«, etwa im 15. Brief, begründet wird: »es soll eine Gemeinschaft zwischen
Formtrieb und Stofftrieb, d. h. ein Spieltrieb sein«.
2. Kant, Kritik der Urteilskraft S. 164.
3. Über die ästhetische Erziehung des Menschen, siebenundzwanzigster Brief. Vgl.
noch immer die ausgezeichnete Darstellung dieses Vorgangs bei H. Kuhn, Die Vollen-
dung der klassischen deutschen Ästhetik durch Hegel, Berlin 1931.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Schiller, Friedrich

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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