Philosophie Lexikon der Argumente

Home Screenshot Tabelle Begriffe

 
Paternalismus: Paternalismus ist die Einmischung des Staates oder einer Einzelperson in die Freiheit oder Autonomie einer anderen Person, gegen deren Willen, mit der Absicht, ihr eigenes Wohl zu fördern oder Schaden abzuwenden. Siehe auch Interventionen, Staat, Macht, Gesellschaft.

_____________
Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

John Rawls über Paternalismus – Lexikon der Argumente

I 208
Paternalismus/Generationengerechtigkeit/Rawls: Da die Mitglieder der Gesellschaft ein Interesse haben, ihren Abkömmlingen gleiche Freiheitsrechte zu sichern, gibt es keinen Konflikt über die Wahl des Prinzips gleicher Freiheiten. Ein Sohn könnte z.B. nicht argumentieren, dass der Vater seine Interessen vernachlässigte, würde er für das Prinzip gleicher Freiheiten akzeptieren. Der Vater müsste bei einer Abweichung davon zuungunsten anderer argumentieren, dass diesen anderen Vorteile entstünden, wenn sie erwachsen werden.
I 208
Die Parteien nehmen also an, dass ihre Abkömmlinge wünschen, dass ihre Freiheiten erhalten bleiben.
Paternalismus/Rawls: Das Prinzip des Paternalismus ist ein Leitfaden wenn es darum geht, Entscheidungen für andere zu treffen. Wir müssen dies tun, weil wir Grund haben zur Annahme, dass sie selbst so wählen würden, wenn sie erwachsen und rational wären.
Problem: Die Älteren wissen in der Anfangssituation einer zu errichtenden Gesellschaft nicht mehr über das Schicksal der Nachkommen, als diese selbst wissen. Daher müssen sie sich auf die Theorie der primären Güter stützen.
>Öffentliches Gut/Rawls
. Lösung: Gleiche Freiheitsrechte für die Späteren zu fordern wird am wenigsten irrational sein.
Vgl. >Generationengerechtigkeit.
I 248
Paternalismus/Betreuung/Rawls: Paternalismus muss als Einschränkung von Freiheit diskutiert werden. In der Anfangssituation einer zu errichtenden Gesellschaft gehen alle zunächst von einer Gleichverteilung von Fähigkeiten und Rationalität aus. Später jedoch ziehen sie in Betracht, dass diese zuweilen ungleich entwickelt sind,
I 249
wie im Fall von Kindern oder Menschen, die durch das Schicksal geschädigt wurden. Es kann dazu kommen, dass Menschen zustimmen, dass andere in ihrem Auftrag handeln(1).
>Gesellschaft/Rawls.
Rawls: Die Prinzipien des Paternalismus wären daher solche, die von den Personen in der Anfangssituation einer zu errichtenden Gesellschaft gewählt würden, um sich gegen Einschränkungen ihrer eigenen Rationalität in der Gesellschaft abzusichern. Paternalistische Entscheidungen im Namen einer Person sind so zu treffen, dass zunächst die vorher getroffenen Entscheidungen dieser Person berücksichtigt werden, sofern sie nicht irrational sind. Fehlen diese, ist von der Theorie der primären öffentlichen Güter auszugehen.
Öffentliche Güter/Rawls. Je weniger wir von einer zu betreuenden Person wissen, desto mehr handeln wir für sie, wie wir für uns selbst handeln würden, vom Standpunkt der Anfangssituation. Wir müssen in der Lage sein, unser Handeln damit zu begründen, dass die Person, wenn sie ihre Rationalität widererlangt haben wird oder erlangen würde, uns zustimmt.
>Schleier des Nichtwissens.
Problem: Die (fiktive) Zustimmung der andere Person ist nicht hinreichend: Bsp: Angenommen, die abweichenden religiösen Ansichten zweier Personen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte werden durch einen psychologischen Prozess gegen ihren Willen ausgetauscht.
I 250
Nach einer Weile werden beide ihre neuen Einstellungen akzeptieren.
Problem: Wir sind dennoch nicht berechtigt, sie demgemäß zu behandeln! Paternalistische Intervention ist nur gerechtfertigt, wenn
1. die zu betreuende Person offensichtlich in ihren geistigen Fähigkeiten und ihrem Willen eingeschränkt ist,
2. Die Intervention muss von längerfristigen bekannten Wünschen der Person ausgehen sowie die Prinzipien der Gerechtigkeit und der primären öffentlichen Güter (Bsp Freiheit) anwenden.
Paternalistische Prinzipien schützen uns gegen unsere eigene Irrationalität. Auch Erziehungsmethoden müssen diese Prinzipien achten.
>Prinzipien/Rawls.

1. Siehe Gerald Dworkin, „Paternalism“ in: Morality and the Law, Hrsg. R.A. Wasserstrom, Belmont, 1971, S. 107-126.

_____________
Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Rawl I
J. Rawls
A Theory of Justice: Original Edition Oxford 2005

Send Link

Autoren A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M   N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   Y   Z  


Begriffe A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M   N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   Z