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Schrift: Schrift ist eine Methode der Kommunikation und des Ausdrucks, bei der Symbole oder Zeichen verwendet werden, um Sprache, Gedanken oder Informationen auf eine Oberfläche zu übertragen. Siehe auch Mitteilung, Texte, Literatur, Geschichtsschreibung, Kulturelle Überlieferung, Kultur, Kommunikation, Information, Lesen, Sprechen.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Platon über Schrift - Lexikon der Argumente

Gadamer I 396
Schrift/Platon/Gadamer: Er ist der methodische Vorzug, den die Schriftlichkeit besitzt, dass an ihr
das hermeneutische Problem in seiner Ablösung von allem Psychologischen rein hervortritt. Was in unseren Augen und für unsere Absicht einen methodischen Vorzug darstellt, ist freilich zugleich der Ausdruck einer spezifischen Schwäche, die für alles Schriftliche noch mehr als für die Sprache charakteristisch ist. Die Aufgabe des Verstehens stellt sich mit besonderer Klarheit, wenn man die Schwäche alles Schriftlichen erkennt.
Platon/Gadamer: Wir brauchen dazu nur (...) an das Vorbild Platos zu erinnern, der die eigentümliche Schwäche des Schriftlichen darin sah, dass der schriftlichen Rede niemand zu Hilfe
zu kommen vermag, wenn sie dem gewollten oder dem unfreiwilligen Missverstehen anheim fällt.(1)
Plato sah in der Hilflosigkeit der Schrift bekanntlich eine noch größere Schwäche, als sie die Reden haben (to asthenes ton logon), und wenn er für die Reden dialektische Hilfe fordert, um dieser Schwäche aufzuhelfen, dagegen den Fall der Schrift für hoffnungslos erklärt, so ist das offenbar eine ironische Übertreibung, durch die er sein eigenes literarisches Werk und seine eigene
Kunst verhüllt.
>Literatur/Platon
.


1. Plato, 7. Brief 341 c, 344 c Phaidr. 275.

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Ricoeur II 38
Schrift/Platon/Ricoeur: (Gegen das Schreiben: PlatonVsSchrift): Der Angriff gegen die schrift kommt von weit her. Er hängt mit einem bestimmten Modell des Wissens, der Wissenschaft und der Weisheit zusammen, das Platon benutzt, um Äußerlichkeiten als konträr zu echter Erinnerung zu verurteilen(1). Er stellt sie in Form eines Mythos dar, weil Philosophie hier mit der Entstehung einer Institution, einer Fähigkeit und einer Macht zu tun hat, die in der dunklen Vergangenheit der Kultur verloren gegangen und die mit Ägypten, der Wiege der religiösen Weisheit, verbunden ist.
Der König von Theben empfängt in seiner Stadt den Gott Thoth, der die Zahlen, die Geometrie, die Astronomie, das Glücksspiel und die Grammatik oder die Schriftzeichen erfunden hat. Nach den Mächten und möglichen Vorteilen seiner Erfindung befragt, behauptet Thoth, dass die Kenntnis der Schriftzeichen die Ägypter weiser und fähiger machen, das Gedächtnis der Dinge zu bewahren.
Nein, antwortet der König, die Seelen werden vergesslicher, wenn sie ihr Vertrauen auf äußere Zeichen gesetzt haben, anstatt sich von innen heraus auf sich selbst zu verlassen. Dieses "Heilmittel" (Pharmakon) ist keine Erinnerung, sondern schlichtes Gedenken. Was die Unterweisung betrifft, so ist das, was diese Erfindung bringt, nicht die Realität, sondern die Ähnlichkeit; nicht Weisheit, sondern ihre Erscheinung.
Nicht weniger interessant ist der Kommentar von Sokrates. Schreiben ist wie Malen, das nicht-lebendiges Sein erzeugt, das
II 39
seinerseits schweigt, wenn es zur Antwort aufgefordert wird. Auch Schriften, wenn man sie hinterfragt, um aus ihnen zu lernen, "bedeuten eine einzigartige Sache, immer dasselbe". Abgesehen von dieser sterilen Gleichheit sind die Schriften ihren Adressaten gegenüber gleichgültig. Sie wandern hierhin und dorthin, ohne Rücksicht darauf, wen sie erreichen. Und wenn es zu Streitigkeiten kommt oder wenn sie zu Unrecht verachtet werden, brauchen sie dennoch die Hilfe ihres Vaters. Allein können sie sich nicht selbst retten.
Ricoeur: Dieser platonische Angriff gegen die Schrift ist kein isoliertes Beispiel in der Geschichte unserer Kultur. Rousseau und Bergson zum Beispiel verbinden aus verschiedenen Gründen die Hauptübel, die die Zivilisation plagen, mit der Schrift.
>Schrift/Rousseau, >Schrift/Bergson.


1. Phaedrus, 274e-277a.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

Ricoeur I
Paul Ricoeur
Die Interpretation. Ein Versuch über Freud Frankfurt/M. 1999

Ricoeur II
Paul Ricoeur
Interpretation theory: discourse and the surplus of meaning Fort Worth 1976

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