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Objektpermanenz: Unter Objektpermanenz versteht man in der Psychologie die Erkenntnis, dass Objekte weiter existieren, auch wenn sie nicht sichtbar oder anderweitig wahrnehmbar sind. Sie ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung von Kleinkindern und eine wesentliche Voraussetzung für unsere Fähigkeit, mit der Welt um uns herum zu interagieren. Siehe auch Entwicklungsstadien.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Neurowissenschaften über Objektpermanenz - Lexikon der Argumente

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Objektpermanenz/Neurowissenschaften: Tallon-Baudry und Kollegen (1998)(1) berichteten, dass es einen signifikanten Anstieg der Aktivität des temporalen Kortex gab, als Erwachsene aufgefordert wurden, das Bild eines versteckten Objekts im Auge zu behalten. Dieser Befund und die Entdeckung, dass diese Art von Aktivität im Säuglingshirn nachweisbar ist (Csibra et al., 2000)(2), bildeten die Grundlage für eine völlig neue Richtung der Objektpermanenzforschung bei Säuglingen von Kaufman und Kollegen. Zuerst maßen Kaufman, Csibra und Johnson (2003)(3) die Gehirnreaktionen bei Säuglingen, während sie Videos von einem Spielzeugzug sahen, der in einen Tunnel einfährt und ihn verlässt. Jede Studie war als "mögliche" oder "unmögliche" Studie vorgegeben.
1) Säuglinge betrachteten das unmögliche Ereignis länger als das mögliche Ereignis.
2) Kaufman et al. fanden eine signifikante rechts-zeitliche Kortexaktivität von Säuglingen in den Zeiten und Bedingungen, in denen es ein verstecktes Objekt gab, das mentale Repräsentation hervorrufen konnte. Diese Aktivität war zeitlich und räumlich ähnlich wie die von Tallon-Baudry (1998)(1) bei Erwachsenen, die darauf hindeuteten, dass die neuronalen Prozesse, die der versteckten Objektdarstellung bei Säuglingen und Erwachsenen zugrunde liegen, ähnlich sind.
Slater I 91
Diskutabel ist, ob "aus den Augen, aus dem Sinn" für junge Säuglinge wirklich aus dem Sinn wäre, denn dann wäre es auch "aus dem Gehirn", und dies war nicht der Fall. Dieses Argument ist jedoch nur bedingt überzeugend, da sich Säuglinge möglicherweise an das Objekt erinnern, ohne dass eine reale Vorstellung oder Wahrnehmung des Objekts weiterhin existiert hat. Das heißt, diese Gehirnaktivität könnte sich entweder auf eine Erwartung beziehen, die zwischen der ausgestreckten Hand und dem Aussehen des Objekts gebildet wird, oder sie könnte sich auf eine Erinnerung an das Objekt beziehen, das nichts mit der Wahrnehmung zu tun hat, dass das Objekt weiterhin existiert.
Lösung: Kaufman, Csibra und Johnson (2005)(3) präsentierten Säuglingen Bilder von Spielzeug, das auf eine von zwei verschiedenen Arten verschwand:
sie zerfielen.
sie schienen verdeckt zu werden (was mit dem Fortbestand vereinbar ist). Diesmal war keine Hand an der Aktion beteiligt. Die Studie wurde ausgewählt, um die Hypothesen zu testen, dass diese Gehirnaktivität mit einer Wahrnehmung des Fortbestands des Objekts zusammenhängt und nicht mit einer einfachen Gedächtnisspur für etwas, das zuvor gesehen wurde. Vgl. >Objektpermanenz/Baillargeon
; >Vs Baillargeon.
Auch hier zeigten die Ergebnisse, dass die rechts-zeitliche Gehirnaktivität nach einem Ereignis des "Objekt-Verdeckens" zunahm, aber nicht nach einem Zerfallsereignis, was darauf hindeutet, dass die rechts-zeitliche Aktivität im Säuglingshirn (wie im erwachsenen Gehirn) mit der für die weitere Existenz relevanten Objektverarbeitung zusammenhängt und für das Verständnis der Objektpräsenz wichtig ist.
In einer weiteren Studie (Southgate, Csibra, Kaufman, & Johnson, 2008)(4) gab es eine Zunahme der Gehirnaktivität im Zusammenhang mit der Verdeckung eines Spielzeugs. Interessanterweise war diese Aktivität jedoch nicht sichtbar, wenn ein Gesicht verdeckt wurde. Dies führt zu der faszinierenden Möglichkeit, dass zumindest bei jungen Säuglingen die Gehirnmechanismen, mit denen die Existenz von Objekten erinnert wird, nicht zur Erinnerung an Gesichter genutzt werden.
Slater I 92
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Verhaltensstudien, die zeigen, dass Säuglinge nicht sehr gut darin sind, sich an die Positionen verdeckter Gesichter zu erinnern (Mareschal & Johnson, 2003)(5).

1. Tallon-Baudry, C., Bertrand, O., Peronnet, F., & Pernier, J. (1998). Induced y-band activity during the delay of a visual short-term memory task in humans. The Journal of Neuroscience, 18, 4244–4254.
2..Csibra, G., Davis, G., Spratling, M. W., & Johnson, M. H. (2000). Gamma oscillations and object processing in the infant brain. Science, 290, 1582–1585.
3. Kaufman, J., Csibra, G., & Johnson, M. H. (2005). Oscillatory activity in the infant brain reflects object maintenance. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 102, 15271–15274.
4. Southgate, V., Csibra, G., Kaufman, J., & Johnson, M. H. (2008). Distinct processing of objects and faces in the infant brain. Journal of Cognitive Neuroscience, 20, 741–9.
5. Mareschal, D., & Johnson, M. H. (2003). The “what” and “where” of object representations in infancy. Cognition, 88, 259–276.

Denis Mareschal and Jordy Kaufman, „Object permanence in Infancy. Revisiting Baillargeon’s Drawbridge Experiment“ in: Alan M. Slater & Paul C. Quinn (eds.) 2012. Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies. London: Sage Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Neurowissenschaften

Slater I
Alan M. Slater
Paul C. Quinn
Developmental Psychology. Revisiting the Classic Studies London 2012

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