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Arrow-Theorem: Das von Kenneth Arrow 1951 aufgestellte Arrow-Theorem zeigt, dass es unmöglich ist, ein Wahlsystem zu schaffen, das alle wünschenswerten Kriterien gleichzeitig erfüllt. Es zeigt, dass keine Abstimmungsmethode Paradoxien vermeiden kann und Fairness, Transitivität und Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen in allen Situationen gewährleistet, was sich auf die politische Entscheidungsfindung und die Theorie der sozialen Wahl auswirkt. Siehe auch Sozialwahltheorie.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Fred D’Agostino über Arrow-Theorem – Lexikon der Argumente

Gaus I 242
Arrow-Theorem/Pluralismus/Diversität/D'Agostino: Man betrachte eine Ansammlung von Individuen, von denen jedes wohlbegründete Präferenzen (oder Urteile) über einen Bereich alternativer sozialer Arrangements hat. Das Problem der kollektiven Wahl besteht darin, ein Verfahren zu spezifizieren, das (zumindest) minimale Bedingungen der Fairness erfüllt und eine Bewertung dieser alternativen Arrangements auf der Grundlage der Beurteilungen der Individuen liefert, die hinreichend determiniert ist, um die Auswahl eines von ihnen als das kollektiv verbindliche Arrangement für diese Gruppe zu rechtfertigen.
Arrow: Was Arrow zeigt und was viele nachfolgende Basteleien bestätigt haben, ist, dass es kein formales Verfahren der Zusammenführung gibt, auf das man sich für diesen Zweck verlassen kann (siehe Arrow, 1979(1); und für hilfreiche Kommentare siehe Mueller, 1989(2), und Sen, 1970(3)). Insofern ein Verfahren die vorangegangenen Einschätzungen der verschiedenen Individuen fair anerkennt, wird es bei bestimmten Profilen von Einschätzungen an der Determiniertheit scheitern und damit auch an der Identifizierung eines kollektiv verbindlichen sozialen Arrangements.
D'Agostino: Ich habe an anderer Stelle (D' Agostino, 1996)(4) versucht zu zeigen, dass dieses Ergebnis ein Modell für die Theoriebildung über Ideale wie die "öffentliche Vernunft" liefert, die zumindest heutzutage direkt mit dem Liberalismus an sich verbunden sind (siehe auch Gaus, 1996(5); und D' Agostino und Gaus, 1998(6).
Demokratie/Diversität/Verfahren/Arrow/D'Agostino: Der Punkt von Arrows Theorem ist nicht, dass formale Verfahren nie funktionieren, sondern dass sie nicht immer funktionieren. Und dieser Punkt ist aus zwei Gründen ethisch-politisch bedeutsam. 2) Wenn wir ein Verfahren unter konkreten Umständen anwenden, können wir typischerweise nicht im Voraus sagen, ob sie unter diesen Umständen funktionieren wird oder nicht.
2) Selbst wenn wir feststellen können, dass es unter diesen Umständen nicht funktioniert, haben wir nach dem Arrow-Theorem keine alternative Prozedur (desselben Typs), die wir stattdessen verwenden können, außer natürlich eine andere, die ebenfalls nicht funktioniert.
Beispiel:
Drei Individuen (A, B, C)
Gaus I 243
und drei mögliche soziale Arrangements (S1, S2, S3),
und (...) die Einschätzungen der Individuen zu diesen Arrangements. Angesichts [eines bestimmten problematischen] "Profils" von Präferenzen (oder deliberativen Urteilen) [das zum Zweck der Argumentation gewählt wurde], wird kein rein "mechanisches" Kombinationsverfahren eine nicht willkürliche (und daher legitimerweise kollektiv verbindliche) Rangfolge der alternativen sozialen Arrangements hervorbringen:

Tabelle I der Präferenzen
S1: A 1. - B 3. - C 2.
S2: A 2. - B 1. - C 3.
S 3: A 3. - B 2. - C 1.

Verfahren:
S1/S2 dann S3: Sieger: S3
S1/S3 dann S2: Sieger: S2
S2/S3 dann S1: Sieger S1

Problem/D'Agostino: (...) es ist klar, dass bei diesem Präferenzprofil eine kollektiv verbindliche Wahl nur auf einer ethisch-politisch willkürlichen Basis mechanisch bestimmt werden kann - z.B. durch Festlegung der Reihenfolge, in der Alternativen verglichen werden. (Die Alternative zu solcher Willkür ist schlichte Unbestimmtheit: Keine der Optionen kann als die kollektiv verbindlich beste für die Gruppe identifiziert werden.) Vgl. >Chaos-Theorem/Sozialwahltheorie
.

Wahlen/Demokratie/Lösungen: (...) Sobald eine solche Diversität unter den Einschätzungen der Individuen 'verwaltet' wird, verschwindet genau die Unbestimmtheit solcher formalen Verfahren wie Wahlen (und anderer Modi der Zusammenführung). Nehmen wir zum Beispiel an, dass durch ein Sozialisations- und Erziehungsprogramm die Einschätzungen der Individuen hinreichend "homogenisiert" werden, so dass eine der alternativen sozialen Arrangements, die die Individuen bewerten, "dominant" in dem Sinne ist, dass sie unter allen relevanten Gesichtspunkten die beste ist. In diesem Fall könnten wir die Konfiguration in Tabelle II der Präferenzen haben.

Tabelle II der Präferenzen
S1: A 1. - B 1. - C 1.
S2: A 2. - B 3. - C 3.
S3: A 3. - B 2. - C 2.

Bei dieser Konfiguration gäbe es keine Schwierigkeiten mit der kollektiven Wahl, weder statisch noch dynamisch. Es gibt eine einzige kollektiv beste Option, deren Identifikation als solche nicht von willkürlichen Faktoren abhängt und deren Auswahl als solche nicht destabilisiert werden kann (solange die Bewertungen der Individuen selbst konstant bleiben).
Wertmonismus/Pluralismus/D'Agostino: Natürlich können das Arrow-Theorem und seine Erweiterungen als Argument für Monismus gelesen werden. Arrow hofiert das Chaos, indem er, wie Pluralisten es fordern, für die Anerkennung von Diversität sorgt. (Für D'Agostinos Lösung siehe >Diversität/Liberalismus.)

1. Arrow, Kenneth (1979) 'Values and collective decision making'. In Frank Hahn and Martin Hollis, eds, Philosophy and Economic Theory. Oxford: Oxford University Press.
2. Mueller, Dennis (1989) Public Choice 11. Cambridge: Cambridge University Press.
3. Sen, Amartya (1970) Collective Choice and Social Welfare. San Francisco: Holden-Day.
4. D'Agostino, Fred (1996) Free Public Reason. Oxford: Oxford University Press.
5. Gaus, Gerald (1996) Justificatory Liberalism. Oxford: Oxford University Press.
6. D' Agostino, Fred and Gerald Gaus, eds (1998) Public Reason. Aldershot: Dartmouth.

D’Agostino, Fred 2004. „Pluralism and Liberalism“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
D’Agostino, Fred

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004

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