Philosophie Lexikon der Argumente

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Interpretation: A. Das Aufstellen von Aussagen über andere Aussagen, wobei sich die neuen Aussagen des Vokabulars der ursprünglichen Aussagen bedienen sowie eventuell neues Vokabular einführen. Wird kein neues Vokabular eingeführt, kann neue Information durch Umstellung der syntaktischen Elemente gewonnen werden.
B. In der Logik das Einsetzen von Werten (Gegenständen) anstelle der Konstanten bzw. freien Variablen.


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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Interpretation – Lexikon der Argumente

I 196
Interpretation/Gadamer: Schleiermacher sieht den Akt des Verstehens als den rekonstruktiven Vollzug einer Produktion. Ein solcher muss manches bewusst machen, was dem Urheber unbewusst bleiben kann. Es ist offenbar die Genieästhetik, die Schleiermacher mit dieser Formel auf seine allgemeine Hermeneutik überträgt. Die Schaffensweise des genialen Künstlers ist der Modellfall, auf den die Lehre von der unbewussten Produktion und der notwendigen Bewusstheit in der Reproduktion sich beruft(1).
Daraus folgt auch - was die Hermeneutik nie vergessen sollte -, dass der Künstler, der ein Gebilde schafft, nicht der berufene Interpret desselben ist. Als Interpret hat er vor dem bloß Aufnehmenden keinen prinzipiellen Vorrang an Autorität. Er ist, sofern er selbst reflektiert, sein eigener Leser. Die Meinung, die er als Reflektierender hat, ist nicht maßgebend. Maßstab der Auslegung ist allein, was der Sinngehalt seiner Schöpfung ist, was diese “meint“(2).
>Meinen
, >Deutung, >Hermeneutik, >Verstehen.
So vollbringt die Lehre von der genialen Produktion hier eine wichtige theoretische Leistung, indem sie den Unterschied zwischen dem
I 197
Interpreten und dem Urheber tilgt. Sie legitimiert die Gleichsetzung beider, sofern zwar nicht die reflektierende Selbstauslegung, aber doch die unbewusste Meinung des Urhebers das ist, was verstanden werden soll. Nichts anderes will Schleiermacher mit seiner paradoxen Formel sagen (Es gelte, einen Schriftsteller besser zu verstehen, als er sich selber verstanden habe).
>Hermeneutik/Schleiermacher, >Verstehen/Schleiermacher.
I 401
Interpretation/Gadamer: Eine richtige Auslegung „an sich“ wäre ein gedankenloses Ideal, das das Wesen der Überlieferung verkennte. Jede Auslegung hat sich in die hermeneutische Situation zu fügen, der sie zugehört. Situationsgebundenheit bedeutet keineswegs dass sich der Anspruch auf
Richtigkeit, den jede Interpretation erheben muss, ins Subjektive oder Okkasionelle auflöste. Auslegen ist auch für uns nicht ein pädagogisches Verhalten, sondern der Vollzug des Verstehens selbst, das sich nicht nur für die anderen, für die man etwas auslegt, sondern ebenso für den Interpreten selbst in der Ausdrücklichkeit sprachlicher Auslegung erst vollendet.

1. H. Patsch hat inzwischen die Frühgeschichte der romantischen Hermeneutik genauer aufgeklärt: Friedrich Schlegels “Philosophie der Philologie« und Schleiermachers frühe Entwürfe zur Hermeneutik (Ztschr. f. Theologie und Kirche 1966, S. 434—472).
2. Die moderne Mode, die Selbstinterpretation eines Schriftstellers als Kanon der Interpretation zu verwenden, ist die Folge eines falschen Psychologismus. Auf der andern Seite kann aber die „Theorie“ z. B. der Musik oder der Poetik und Redekunst, sehr wohl ein legitimer Kanon der Auslegung sein. Vgl. zuletzt meine Arbeit „Zwischen Phänomeektik — Versuch einer Selbstkritik“ in Bd. 2 der Ges. Werke, S. 3ff.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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