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Axiom: Grundsatz oder Regel für die Verknüpfung von Elementen einer Theorie, der nicht innerhalb der Theorie bewiesen wird. Es wird angenommen, dass Axiome wahr und evident sind. Das Hinzufügen oder Eliminieren von Axiomen verwandelt ein System in ein anderes System. Entsprechend sind mehr oder weniger Aussagen in dem neuen System konstruierbar oder ableitbar. Siehe auch Systeme.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

David Hilbert über Axiome – Lexikon der Argumente

Berka I 294
Definition/Axiom/Hilbert: Die aufgestellten Axiome sind zugleich die Definitionen jener elementaren Begriffe, deren Beziehungen sie regeln. ((s) Hilbert spricht von Beziehungen, nicht vom Gebrauch der Begriffe).
>Definitionen
, >Definierbarkeit, >Grundbegriffe.
Unabhängigkeit/Axiom/Hilbert: Hier geht es um die Frage, ob gewisse Aussagen einzelner Axiome sich untereinander bedingen, und ob nicht somit die Axiome noch gemeinsame Bestandteile enthalten, die man beseitigen muss, damit die Axiome unabhängig voneinander sind(1).
>Unabhängigkeit.

1. D. Hilbert: Mathematische Probleme, in: Ders. Gesammelte Abhandlungen (1935), Vol. III, pp. 290-329 (gekürzter Nachdruck v. S 299-301).
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Thiel I 262
Wir betrachten die ersten drei Axiome von Hilbert:
1. Zu je zwei verschiedenen Punkten P, Q, gibt es genau eine Gerade, die mit P und Q inzidiert(2).
2. Zu jeder Gerade g und jedem nicht mit ihr inzidierenden Punkt P gibt es genau eine Gerade, die mit P, aber mit keinem Punkt von g inzidiert.
3. Es gibt drei Punkte, die nicht mit ein und derselben Gerade inzidieren.
In Hilberts Originaltext ist statt von Punkten von "Gegenständen erster Art", statt von Geraden von "Gegenständen zweiter Art" und statt von Inzidenz von "Grundbeziehung" die Rede. Damit lautet das erste Axiom jetzt so:
Zu je zwei verschiedenen Gegenständen erster Art gibt es genau einen Gegenstand zweiter Art, der mit den beiden erstgenannten in der Grundbeziehung steht.
Thiel I 263
Werden die Axiome quantorenlogisch umgeformt, dann ist nur noch das schematische Zeichen "π" (für die Grundbeziehung) frei für Ersetzungen, die anderen sind durch Quantoren gebunden und können nicht mehr durch einzelne Namen von Punkten oder Geraden ersetzt werden.
>Quantifikation, >Quantoren.
Sie sind also "Aussagenformen" mit "π" als Leerstelle.
>Aussagenfunktionen.
Sie sind keine Aussagen wie die vor Hilbertschen Axiome, deren Wahrheit oder Falschheit durch die Bedeutungen ihrer Bestandteile feststeht.
>Wahrheitswerte.
Bei dem (heute üblichen) hilbertschen Axiombegriff sind Axiome Aussageformen oder Aussagenschemata, deren Bestandteilen eine Bedeutung erst durch Interpretation gegeben werden muss durch Angabe der Variabilitätsbereiche und der Grundbeziehung. Dass das auf verschiedene Weise geschehen kann, zeigt bereits, dass die Axiome auch durch ihr Zusammenwirken in einem Axiomensystem nicht selber die Bedeutung ihrer Bestandteile bestimmen (nicht deren Merkmale sind, wie Hilbert manchmal sagt).
Thiel I 264
Mehrere Interpretationen sind möglich: Bsp das Liegen von Punkten auf einer Geraden, Bsp das Vorkommen von Zeichen in Zeichenfolgen, Bsp Zahlenverhältnisse.
Thiel I 265
Alle drei Interpretationen sind wahre Aussagen. Die gebildeten Tripel von Bildungsvorschriften sind Modelle unseres Axiomensystems. Das erste ist ein unendliches, die beiden anderen endliche Modelle.
>Modelle, >Unendlichkeit.
Thiel I 266
Die Axiome können durch Konjunktion zu einem Axiomensystem zusammengefasst werden.
>Konjunktion.
Durch die Beziehungen werden die in den Gegenstandsbereichen liegenden Gegenstände in der durch die zusammengefassten Axiome bestimmten Weise miteinander verflochten. Die Bereiche V.. werden dadurch "strukturiert" (konkrete und abstrakte Strukturen).
>Bereiche, >Strukturen (Mathematik).
Ein und dieselbe Struktur lässt sich durch verschiedene Axiomensysteme beschreiben. Es werden nicht nur logisch äquivalente Axiomensysteme verwendet, sondern auch solche, deren Grundbegriffe und Beziehungen sich zwar unterscheiden, aber doch durch zwei Systeme expliziter Definitionen wechselseitig definierbar sind.
Thiel I 267
Schon die beiden ursprünglichen Axiomensysteme sind ohne Hinzunahme wechselseitiger Definitionen äquivalent, d.h. sie sind logisch äquivalent.
Diese Äquivalenzrelation ermöglicht einen Abstraktionsschritt zu den Feinstrukturen. Im bisherigen Sinne gleiche Strukturen, werden jetzt differenziert: Die sie beschreibenden Axiomensysteme sind dann nicht unmittelbar logisch äquivalent, aber ihre Begriffe erweisen sich als wechselseitig definierbar.
Bsp "Vektorraum", "Gruppe" oder "Körper" sind nicht Bezeichnungen für Feinstrukturen sondern, allgemeiner abstrakte Strukturen. Wir können aber jetzt nicht sagen, dass ein Axiomensystem eine Struktur eindeutig darstelle. Ein Gebilde besitzt mehrere Strukturen, nicht mehr "die" Struktur.
I 268
Bsp Körper: Das Gebilde Q besitzt bezüglich Addition und Multiplikation eine durch Axiome beschriebene Körperstruktur.
Bsp Gruppe: Die vorige Aussage impliziert zugleich dass Q auch z.B. eine Gruppe bezüglich der Addition ist. Weil die Gruppenaxiome für Addition ein Teil der Körperaxiome bilden.
Die moderne Mathematik interessiert sich mehr für die Aussagen über Strukturen als für deren Träger. Unter diesem Gesichtspunkt sind Gebilde, die gleich strukturiert sind, völlig gleichwertig.
>Ununterscheidbarkeit.
Thiel: In der Algebra ist wohl am häufigsten von Strukturen die Rede. Hier gibt es oft eine einzige Trägermenge mit mehreren Verknüpfungen, die als Relation angesehen werden können.
Thiel I 269
Bsp Relation: Summenbildung: x+y = z Relation: s(x,y,z).
Neben Verknüpfungsstrukturen tragen die Gegenstandsbereiche oft noch Ordnungsstrukturen oder topologische Strukturen.
Thiel I 270
Bourbaki spricht von einer Neuordnung des Gesamtgebiets der Mathematik nach "Mutterstrukturen". In der modernen Mathematik werden Abstrakta, insbesondere also Strukturen, als Äquivalenzklassen und somit als Mengen aufgefasst.
>N. Bourbaki, >Äquivalenzklassen.


2. Inzidieren = zusammengehören, d.h. schneiden, durch den Punkt verlaufen, auf ihr liegen.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Berka I
Karel Berka
Lothar Kreiser
Logik Texte Berlin 1983

T I
Chr. Thiel
Philosophie und Mathematik Darmstadt 1995

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