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Leben: Leben ist der Zustand, der durch Wachstum, Stoffwechsel, Homöostase, Anpassung, Fortpflanzung und Reaktion auf Reize gekennzeichnet ist. Lebende Organismen bestehen aus Zellen, die die Grundeinheiten des Lebens sind.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Bernulf Kanitscheider über Leben – Lexikon der Argumente

I 285
Leben/Universum/Mögliche Welten/Kanitscheider: (Untersuchung von Ellis und Brundrit)(1) wenn man die plausible Annahme macht, dass es eine endliche Wahrscheinlichkeit für Leben in Galaxien unseres Typs gibt, so gibt es sicher in einem der anderen lebentragenden Systeme ein Individuum mit identischer genetischer Bauweise wie ein spezielles Lebewesen auf der Erde.
Wenn aber auch nur ein Individuum einer bestimmten Art vorhanden ist, folgt sofort aus der vorausgesetzten endlichen, nicht verschwindenden Wahrscheinlichkeit, dass es zu jedem Zeitpunkt unendlich viele genetisch identische Lebewesen im Universum gibt!
Nicht nur Kopien, sondern auch deren Geschichte mehrfach vorhanden! Das gilt allerdings nur, wenn man davon absieht, dass die Raumzeit wegen ihrer Kontinuität unendlich viele verschiedene Lokalisationen der Ereignisse zulässt. Man muss eine Art finiten Rasters über die Raumzeit legen, damit die endlichen Ereignisse auch unendlich oft vorkommen.
I 287
Das Frappante an diesem Argument ist, dass es sich neben den kosmologischen Daten nur auf eine relativ schwache Annahme stützt, dass es nicht unendlich viele verschiedene Lebensformen gibt.
Physikalisch ist das glaubwürdig, denn es gibt nur endlich viele Elemente und die maximale Größe stabiler Moleküle ist sicher begrenzt.
So sind die Arten des Lebens, die wir kennen, sicher ein echter Bruchteil aller möglichen Lebensformen
Kanitscheider: zudem kommt praktisch nur Kohlenstoff als Basis in Betracht, Silizium Leben ist in der Konkurrenz Kohlenstoff Leben unterlegen.
Ellis/Brundrit(1) betrachten aber noch exotischer Einwände: wenn eine heute noch unbekannte Kraft mit langer Reichweite eine Rolle bei der Lebensentstehung spielte, so dass die Wahrscheinlichkeit von Leben in größeren Systeme abnähme, so bliebe das Ergebnis dennoch intakt, da in fast allen FRW Welten Teilchenhorizonte existieren, die die WW begrenzen. die gegenwärtigen Wahrscheinlichkeiten für Leben auf getrennten erdartigen Planeten sind voneinander unabhängig. Es gibt zu jedem Zeitpunkt unendlich viele kausal entkoppelte Regionen in einem Universum niedriger Gesamtenergie.
I 288
Nun kann in jeder von ihnen nur eine endliche Zahl von lebensfähigen Strukturen existieren, ist die unendliche Multiplizität dieser Organismen unausweichlich!
Wenn man diese Annahmen nicht teilen will, sind dennoch die Auswege nicht minder seltsam, unter Beibehaltung der Homogenität müsste man schon
1. leugnen, dass die Lebensentstehung überhaupt mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß abgeschätzt werden kann, bzw. dass diese verschwindend klein ist. Oder:
2. a) (mit Homogenität): die raumartigen Hyperflächen müssten kompakt sein (K = +1). Das wäre ein Universum mit negativer Gesamtenergie (hoher Dichte). Das ist gegenwärtig empirisch nicht gestützt.
b) Ausweg: Gewaltlösung: man müsste die Raumschnitte mit lokaler hyperbolischer oder euklidischer Geometrie über Identifizierungstopologien mit einer kompakten Zusammenhangsform versehen. Bsp (k = 0): dann lässt sich die lokale Geometrie der Raumzeit in dem Linienelement

ds² = dt² + R²(t)[dx² + dy² + dz²]

ausdrücken.
Schreibweise: L: Koordinatenlänge. (s.u. Identifizierungstopologie, bestimmt die Galaxienzahl).
Wählt man in diesem Raum einen Würfel der Koordinatenlänge L, x, y, z jeweils zwischen 0 und
L, und identifiziert gegenüberliegende Seiten, dann ändert dies an der lokalen Raumstruktur nichts, aber die räumlichen Koordinaten werden zyklisch in dem Sinne, dass (t, x, y, z) und (t, x +L, y + L, z + L) das gleiche Ereignis darstellen.
Durch die neue Zusammenhangsform sind die räumlichen Schnitte nun 3-Toroi vom endlichen Volumen V =R³L³ geworden.
In einem solchen endlichen euklidischen Raum sind natürlich nur endlich viele Galaxien vorhanden, genauso wie in einem Raum mit positiver Krümmung. so wäre die Multiplizität der Dinge vermieden.
>Koordinatensystem/Kanitscheider.
I 289
Dafür taucht aber ein neuer, durch die lokale Physik überhaupt nicht determinierter Parameter auf, nämlich die Längenskala der Identifizierungstopologie L. Die Größe L, die die Galaxienzahl bestimmt, könnte auf beliebig viele verschiedene Weisen festgelegt werden, ohne durch lokale empirische Information gestützt zu werden.
Bleibt man aber bei dem Prinzip, exotischere Topologien erst bei Veranlassung durch empirische Hinweise zu wählen, folgt, dass jeder von uns unendlichfache Doppelgänger besitzt, die meisten von ihnen Hinter einem Teilchenhorizont.
Die Steady-State Theory SST hätte die gleiche Konsequenz in zeitlicher Hinsicht.
Bei Unendlichkeit kommt einfach jede Teilchenkombination, für die auch nur eine winzige endliche Wahrscheinlichkeit besteht, unendlich oft vor.
Kopernikanisches Prinzip/Ellis: ihm ging es vor allem darum, darauf hinzuweisen, dass das Kopernikanische Prinzip keinerlei empirische Stütze hat, andererseits zu so seltsamen Konsequenzen führt.
I 290
Ellis: um das deutlicher zu machen, entwarf er ein Bsp alternatives Modelluniversum, lokal isotrop, aber ohne Kopernikanisches Prinzip, das trotzdem alle empirischen Befunde deckt.
SSS: Sphärisch symmetrisches statisches Universum, zwei Zentren, in der Nähe des einen wohnen wir, das andere ist eine nackte Singularität. Rotverschiebung wird hier nicht als Resultat der Raumexpansion gedeutet, sondern als Gravitationsrotverschiebung, der Hintergrund nicht als Reliktstrahlung, sondern als Ergebnis der heißen Feuerballsphäre, die die zweite Singularität dauerhaft umgibt. Kaltes Zentrum C, heißes Zentrum S. An einem Punkt p in der Nähe des kalten Zentrums wird die Hintergrundstrahlung als Indiz dafür gewertet, dass der Vergangenheitslichtkegel von p in Richtung auf die heiße Singularität refokussiert. Die Welt ist sphärisch symmetrisch um S und C. Geht man von C in Richtung S wird es immer heißer. In der Nähe der Singularität passieren alle die Dinge, die in einer FRW-Welt in der tiefen Vergangenheit geschehen. Symmetrisch um S gibt es eine Fläche der Entkopplung und noch näher dran einen Bereich der Nukleosynthese. Zirkulation, leichte Elemente driften von S nach C, dort werden schwere Elemente gebildet, die zurückwandern.
I 291
Eine solche Welt wird von der Singularität als der "Seele des Weltalls" beherrscht. Sie liefert auch den dominanten Zeitpfeil.
Methodologisch ist nun wichtig, ob man die Korrespondenz zwischen einer SSS und einer Friedman Welt perfekt machen kann.
Dem zeitlichen Bereich der für das Leben günstigen Umstände der Friedman Welt entspricht in der SSS ein kleiner räumlicher Bereich um C.
Das ist für manche Autoren eine echte Alternative zum Kopernikanischen Prinzip. (D.h. es sieht woanders eben doch völlig anders aus, Schlüsse aus unserer Umgebung auf entfernte Abschnitte des Universums sind nicht erlaubt.).
Bei alternativen Theorien entscheidet man meistens nach Einfachheits- und Einheitlichkeitsgesichtspunkten.
Kanitscheider: Die absurde Konsequenz der unendlich vielen Doppelgänger scheint noch kein hinreichendes Argument dafür zu sein, die Homogenitätsannahme zu verlassen.


1. Ellis, G. F. R. & Brundrit, G. B. Life in the infinite universe. Royal Astronomical Society, Quarterly Journal, vol. 20, Mar. 1979, p. 37-41.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Kanitsch I
B. Kanitscheider
Kosmologie Stuttgart 1991

Kanitsch II
B. Kanitscheider
Im Innern der Natur Darmstadt 1996

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