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Zeitreisen: Reisen eines oder mehrerer Subjekte aus ihrer jeweiligen Gegenwart in eine Zeit, die aus Sicht dieser Subjekte in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegt. Dabei wird normalerweise angenommen, dass die Reisenden ihr Alter und ihre biologische Verfassung beibehalten. Daher ist bei Zeitreisen eine Hierarchie mehrerer Zeiten anzunehmen, nämlich die Eigenzeit der Reisenden, die ihr biologisches Alter bestimmt, die Dauer der Prozedur der Reise und die historische Zeit des „Reiseziels“. Logische Probleme im Zusammenhang mit Zeitreisen sind u.a. Widersprüche im Zusammenhang damit, dass Ereignisse der Vergangenheit beeinflusst werden könnten nachdem sie sich ereignet haben. Siehe auch Zeit, Zeitumkehr, Symmetrien, Zeitpfeil, Großvaterparadox.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Bernulf Kanitscheider über Zeitreisen – Lexikon der Argumente

I 293
"Kausalitätsverletzung"/Kanitscheider: Ausdruck dafür, dass ein Gedankenexperiment eine Zeitumkehr, eine Reise schneller als Licht, oder eine Umkehr von Wirkung und Ursache verlangt. Wird im Zusammenhang mit Zeitreisen auch als "Großvaterparadox" bezeichnet.
Zeit/Gödel/Kanitscheider: Gödel fand eine Lösung der Feldgleichung, die Zeitreisen ermöglicht. Gödel bezweifelt einen objektiven Zeitablauf und deutet die Zeitlichkeit der Welt als ein anthropomorphes, subjektives, für die physikalisch Realität unwichtiges Element.
Zeit/Kanitscheider: Die Relativität der Gleichzeitigkeit hat bei vielen Autoren Überlegungen angeregt, mittels eines anderen Bezugssystems die zeitliche Koinzidenz zweier Ereignisse zu zerstören, wodurch die Zeit ihren Status, den objektiven Fluss der Dinge wiederzugeben, eingebüßt hat. Aber das gilt nur, wenn man "relativ" mit "subjektiv" gleichsetzt.
Bei einer neutralen, abstrakten Formulierung der Theorie wird das aber überhaupt nicht verlangt. Es ist auch gar nicht sinnvoll, die begriffliche und die konkrete Ebene auf diese Weise zu verbinden.
Ein Koordinatensystem kann ein Bezugssystem, ein physisches Objekt abbilden, muss es aber nicht tun.
I 296
Zeitreisen/Spezielle Relativitätstheorie/SR/Kanitscheider: Die Spezielle Relativitätstheorie birgt keine Möglichkeit für Zeitreisen, zwar beinhaltet sie den Lichtkegel, d.h. ein Reisender hätte innerhalb dieses Kegels nicht nur eine einzelne Faser, sondern einen Spielraum, womit er seine Zeitdrift beschleunigen kann, aber damit kann er bloß die Rate der verflossenen Zeit beeinflussen. Er kann z.B. das Quantum der verflossenen Zeit klein halten, indem er seine Bewegung nahe an den Nullkegel legt. Die Zeitfolge kann er nicht verändern.
>Ereignisse/Einstein.
Zeitreisen/Kanitscheider: VsZeitmaschine/VsWells: H.G.Wells macht den Fehler, dass er den Reisenden auf dem gleichen irdischen Raumpunkt die Weltlinie der Erde auf und absteigen lässt. Genau dies führt zur begrifflichen Unmöglichkeit von Vorwärts und Rückwärtsbewegung in der Zeit.
Zeitreisen/Allgemeine Relativitätstheorie/Kanitscheider: das ändert sich, wenn Materie ins Spiel kommt.
I 298
Kausalitätsverletzung/Kanitscheider: Angenommen, ein Koordinatensystem mit Rotationssymmetrie um den Ursprung, dann schließt der lokale Lichtkegel bei r = 0 wie gewohnt die t Koordinate in ihrer Zukunftsrichtung nach oben ein. Entfernt man sich jedoch ein Stück vom Ursprung, so beginnen sich die lokalen Lichtkegel in Richtung auf die Drehebene zu neigen.
Wenn der Lichtkegel mit seinem Mantel die Drehebene berührt, wird die frühere Winkelkoordinate lichtartig und in noch größerer Entfernung zeitartig.
Dieser Rollentausch der Koordinaten, so dass die Öffnung des Lichtkegels zuerst in raumartiger, jetzt aber in zeitartiger Koordinate liegt, ist das Kennzeichen der Kausalitätsverletzung.
Bsp Ist p der zeitliche Vorgänger von q auf einer offenen Kurve mit unendlicher affiner Länge, so gibt es ebenfalls eine zeitartige Kurve, auf der q der Vorgänger von p ist.
Die Folgen sind absurd: Bsp Ein Körper mit einer kreisförmigen zeitartigen Weltlinie trifft mit einer bestimmten Galaxis nur einmal zusammen, wenn das Ereignis von der Galaxis aus beobachtet wird, für den Bewohner des Körpers jedoch kehrt die Begegnung periodisch wieder.
Bsp Bei einer spiralförmigen Weltlinie hält jeder den anderen für bei jeder Begegnung für jünger, obwohl beide übereinstimmen, dass Zeit verflossen ist.

Zeitreisen/Kanitscheider: natürlich bleibt das Großvaterparadox, dennoch ist die Gödel-Welt nicht auszuschließen.
Unser aktuales Universum gestattet wegen fehlender Rotation ziemlich sicher keine Zeitreisen.
Man wäre auf eine nackte Singularität oder Manipulation lokaler Materie angewiesen.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Kanitsch I
B. Kanitscheider
Kosmologie Stuttgart 1991

Kanitsch II
B. Kanitscheider
Im Innern der Natur Darmstadt 1996

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