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Strafen: Eine Strafe ist eine Konsequenz, die von der Wiederholung eines Verhaltens abhalten soll. Siehe auch Handlungen, Handlungstheorie, Recht, Gerechtigkeit, Rechtsprechung, Gesellschaft, Zwang.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Sozialpsychologie über Strafen - Lexikon der Argumente

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Strafe/Sozialpsychologie/Nadler/Mueller: In Ermangelung zwingender Beweise zum Nachweis der Schuld verwenden Geschworene manchmal die Tatsache der Vorstrafen des Angeklagten als Grund für eine Verurteilung (T. Eisenberg und Hans, 2009(1)). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
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die früheren Straftaten dem aktuellen Vorwurf ähnlich sind (Greene und Dodge, 1995(2); Lloyd-Bostock, 2000(3); Wissler und Saks, 1985(4)).
Wahrnehmung: Wenn wir Personen wahrnehmen, entscheiden wir sofort, ob ihre Absichten uns gegenüber gut sind und wie kompetent sie sind, ihre Absichten auszuführen (Fiske, Cuddy und Glick, 2007)(5). Wir verwenden diese Informationen auch, um Entscheidungen darüber zu treffen, wie tadelnswert ein Akteur ist. Rückschlüsse auf den Charakter treiben Urteile über Verantwortung, Schuld und sogar Verursachung an (Alicke, 1992(6), 2000(7); Alicke und Yurak 1995(8). Nadler, 2012(9); Nadler und McDonnell, 2012(10)).
Charakterzüge: Schlechte Motive sind eine Quelle für Rückschlüsse auf einen schlechten Charakter, aber sie sind nicht notwendig. Selbst leicht negative Charakterzüge führen zu Rückschlüssen auf den Charakter, die die Beurteilung der Schuldfrage beeinflussen. Zum Beispiel wird eine Frau, die ihre widerspenstigen Hunde nicht beaufsichtigt, eher für einen Todesfall verantwortlich gemacht, wenn sie asozial ist und einen ungesunden Lebensstil hat, als wenn sie sehr sozial ist und einen gesunden Lebensstil hat (Nadler und McDonnell, 2012)(10).
Opfer: Der moralische Charakter von Opfern kann ebenfalls Schuldurteile beeinflussen. Schaden an unschuldigen Opfern löst mehr Schuldgefühle aus als Schaden an gefährlichen Kriminellen oder an Opfern, die in anderer Weise als verdorben wahrgenommen werden. So wird z.B. eine Person, die einen Fremden in ihrem Haus erschießt, mehr beschuldigt, wenn sich das Opfer als der Freund ihrer Tochter herausstellt, als wenn das Opfer ein Einbrecher ist, selbst wenn man die Gefahrenwahrnehmung des Schützen konstant hält (Alicke, Davis und Pezzo, 1994)(11).
Moralischer Charakter: Der vermeintlich fragwürdige moralische Charakter einer Frau (z.B. Alkoholkonsum, Drogenkonsum, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Ehrbarkeit) benachteiligt sie im gesamten Justizprozess und führt zu mehr "Victim Blaming" (dt. Beschuldigung des Opfers) sowie einer milderen Bestrafung (Burt und Albin, 1981(12); C. Jones und Aronson, 1973(13)). Wenn sie den moralischen Charakter einer Frau anzweifeln, ist es weniger wahrscheinlich, dass Staatsanwälte überhaupt Anklage erheben (Spohn et al., 2001)(14). Außerdem sind Verurteilungen unwahrscheinlicher und die Strafen kürzer, wenn die sexuelle Vorgeschichte einer Frau erwähnt wird, selbst wenn sie relativ unerfahren ist (L'Armand und Pepiton, 1982)(15).
>Entschuldigungen/Sozialpsychologie
, >Attraktivität/Sozialpsychologie, >Vergeltung/Abschreckung/Sozialpsychologie.
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Regeln/Sozialer Status: Expressive Theorien der Bestrafung gehen davon aus, dass Strafe Regeln und soziale Normen kommuniziert (Duff, 2011(16); Durkheim, 2014(17)) und eine Botschaft an Opfer, Täter und Dritte gleichermaßen sendet, die das begangene Unrecht ankündigt und korrigiert. So kann eine strafrechtliche Bestrafung mit identifizierbaren Opfern als ein Mittel fungieren, das kommuniziert, wie sehr das Opfer geschätzt und respektiert wird (Hampton, 1988(18); 1994(19)). Die Bestrafung kann dazu dienen, den Status quo zurückzusetzen, indem sie zum Ausdruck bringt, dass das Opfer wertvoll genug ist, um die Ausgabe von Ressourcen zur Aufdeckung, Verfolgung und Bestrafung des Täters, der ihr geschadet hat, zu rechtfertigen (Bilz, 2014). Bilz (2014) hat experimentell gezeigt, dass sowohl Opfer als auch Dritte eine Bestrafung als Erhöhung des sozialen Status des Opfers wahrnehmen und das Unterlassen einer Bestrafung als Senkung.

1. Eisenberg, T. and V. Hans (2009). "Taking a Stand on Taking the Stand: The Effect of a Prior Criminal Record on the Decision to Testify and on Trial Outcomes." Cornell Law Review 94: 1353.
2. Greene, E. and M. Dodge (1995). "The Influence of Prior Record Evidence on Juror Decision
Making." Law and Human Behavior doi:10.1007/BF01499073.
3. Lloyd-Bostock, S. (2000). " The Effects on Juries of Hearing about the Defendant's Previous
Criminal Record: A Simulation Study." Criminal Law Review 1:734-755.
4. Wissler, R. L. and M. J. Saks (1985). "On the Ineffcacy of Limiting Instructions: When Jurors
Use Prior Conviction Evidence to Decide on Guilt." Law and Human Behavior 9(1): 37-48.
doi:10.1007/BF01044288.
5. Fiske, S. T., A. J. C. Cuddy, and P. Glick (2007). "Universal Dimensions of Social Cognition: Warmth and Competence." Trends in Cognitive Sciences 1 1 (2):77—83. doi:16/j.tics.2006.11.005.
6. Alicke, M. D. (1992). "Culpable Causation." Journal of Personality and Social Psychology
63(3): 368-378. doi:10.1037/0022-3514.63.3.368.
7. Alicke, M. D. (2000). "Culpable Control and the Psychology Of Blame." Psychological Bulletin
126(4): 556-574. doi:10.1037/0033-2909.126.4.556.
8. Alicke, M. D. and T. J. Yurak (1995). "Perpetrator Personality and Judgments of Acquaintance Rape“.Journal of Applied Social Psychology 25(21):1900-1921.
9. Nadler, J. (2012). "Blaming as a Social Process: The Influence of Character and Moral Emotion on Blame." Law and Contemporary Problems 75: 1.
10. Nadler, J. and M.-H. McDonnell (2012). "Moral Character, Motive, and the Psychology of
Blame." Cornell Law Review 97:255.
11. Alicke, M. D., T. L. Davis, and M. V. Pezzo (1994). "A Posteriori Adjustment of A Priori Decision Criteria." Social Cognition 12(4):281-308.
12. Burt, M. R. and R. S. Albin (1981). "Rape Myths, Rape Definitions, and Probability of Conviction.“ Journal of Applied Social Psychology 11(3):212-230.
13. Jones, C. and E. Aronson (1973). "Attribution of Fault to a Rape Victim as a Function of
Respectability of the Victim." Journal of Personality and Social Psychology 26(3): 415-419. doi:10.1037/h0034463.
14. Spohn, C., D. Beichner, E. D. Frenzel, and D. Holleran (2001). Prosecutors' Charging Decisions
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15. L'Armand, K. and A. Pepitone (1982). "Judgments of Rape A Study of Victim-Rapist Relationship and Victim Sexual History." Personality and Social Psychology Bulletin 8(1): 134-139. doi:10.1177/014616728281021.
16. Duff, A. (2011). "Retrieving Retributivism," in M. D. White, ed., Retributivism: Essays on
Theory and Policy, 3-24. New York: Oxford University Press.
17. Durkheim, E. (2014). The Division of Labor in society. New York: Simon and Schuster.
18. Hampton, Jean (1988). "Punishment as Defeat," in Jeffrie G. Murphy and Jean Hampton,
eds., Forgiveness and Mercy, 124—132. Cambridge: Cambridge University Press, Cam-
bridge.
19. Hampton, Jean (1994). "Retribution and the Liberal State." J. Contemp. Legal Issues 5: 117.

Nadler, Janice and Pam A. Mueller. „Social Psychology and the Law“. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Sozialpsychologie

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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