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Erlebniskunst: Erlebniskunst ist ein philosophischer Begriff, der die Bedeutung der Erfahrung des Betrachters für die Wertschätzung von Kunst hervorhebt. Es wurde erstmals vom Philosophen Hans-Georg Gadamer im 20. Jahrhundert entwickelt. Gadamer vertrat die Auffassung, dass Kunst nicht einfach ein zu betrachtendes Objekt ist, sondern vielmehr ein dynamischer Prozess der Interaktion zwischen dem Werk und dem Betrachter. Siehe auch Ästhetik, Ästhetische Erfahrung, Ästhetisches Bewusstsein, Ästhetische Differenz.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Erlebniskunst – Lexikon der Argumente

I 100
Erlebniskunst/Ästhetik/Kunsterlebnis/Ästhetische Erfahrung/Gadamer: Ausgangsproblem: für Valéry(1) hat jede Begegnung mit dem Werk den Rang und das Recht einer neuen Produktion.
Gadamer: Problem: Das scheint mir ein unhaltbarer hermeneutischer Nihilismus. Denn nun überträgt er dem Leser und Ausleger die Vollmacht des absoluten Schaffens, die er selber nicht ausüben will.
>Hermeneutik
, >Erlebnis, >Ästhetik, >Ästhetische Erfahrung.
Ästhetisches Erlebnis/Gadamer: Die gleiche Aporie ergibt sich, wenn man statt von dem Begriff des Genies von dem Begriff des ästhetischen Erlebnisses ausgeht.
I 101
Lukacs(2): spricht der ästhetischen Sphäre eine heraklitische Struktur zu und will damit sagen:
Die Einheit des ästhetischen Gegenstandes ist gar keine wirkliche Gegebenheit. Das Kunstwerk ist nur eine Leerform, der bloße Knotenpunkt in der möglichen Mehrheit von ästhetischen Erlebnissen, in denen allein der ästhetische Gegenstand da ist. Wie man sieht, ist absolute Diskontinuität, d. h. Zerfall der Einheit des ästhetischen Gegenstandes in die Vielheit von Erlebnissen, die notwendige Konsequenz der Erlebnisästhetik.
Oskar Becker: An die Idee von Lukacs anknüpfend hat Oskar Becker geradezu formuliert: »Zeitlich angesehen ist das Werk nur einem Augenblick (d. h. jetzt), es ist „jetzt“ dies Werk und ist es schon jetzt nicht mehr!“(3)
>Kunstwerke.
Gadamer: Das ist in der Tat konsequent. Die Grundlegung der Ästhetik im Erlebnis führt zur absoluten Punktualität, die die Einheit des Kunstwerks ebenso aufhebt, wie die Identität des Künstlers mit sich selbst und die Identität des Verstehenden bzw. Genießenden.(4)
KierkegaardVsErlebniskunst/Gadamer: Wie mir scheint, hat schon Kierkegaard die Unhaltbarkeit dieser Position bewiesen, indem er die zerstörerische Konsequenz des Subjektivismus erkannte und als erster die Selbstvernichtung der ästhetischen Unmittelbarkeit beschrieb. Seine Lehre vom ästhetischen Stadium der Existenz ist vom Standpunkte des Ethikers aus entworfen, dem die Heillosigkeit und Unhaltbarkeit einer Existenz in reiner Unmittelbarkeit und Diskontinuität aufgegangen ist.
I 102
Gadamer: Mit der Erkenntnis der »Hinfälligkeit des Schönen und der Abenteuerlichkeit des
Künstlers« ist (...) in Wahrheit nicht eine Seinsverfassung außerhalb der „hermeneutischen Phänomenologie“ des Daseins ausgezeichnet, sondern vielmehr die Aufgabe formuliert, angesichts solcher Diskontinuität des ästhetischen Seins und der ästhetischen Erfahrung die hermeneutische Kontinuität zu bewähren, die unser Sein ausmacht. >Ästhetische Erfahrung/Gadamer,
>Weitere Einträge zu Erlebniskunst.


1. P. Valéry, Variété Ill, Commentaires de Charmes: »Mes vers ont le sens qu'on leur prete«.
2. G. Lukács, „Die Subjekt-Objekt-Beziehung in der Ästhetik“, In: „Logos“, Bd. Vll., 1917/18.
3. Oskar Becker, Die Hinfälligkeit des Schönen und die Abenteuerlichkeit des Künstlers, Husserl-Festschrift, 1928, S. 51. Jetzt in O. Becker, Dasein und Dawesen. Pfullingen 1963, S. 11-401.
4. Schon bei K. Ph. Moritz, Von der bildenden Nachahmung des Schönen, 1788, S. 26
lesen wir: »Das Werk hat seinen höchsten Zweck in seiner Entstehung, in seinem Werden
schon erreicht. «

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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