Psychologie Lexikon der Argumente

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Übersetzung, Philosophie: Philosophisch interessant an der Übertragung eines Texts in eine andere Sprache ist ihre Unbestimmtheit – die prinzipielle Unmöglichkeit, zwischen verfügbaren konkurrierenden Versionen zu wählen, wenn über die Ausgangssprache zu wenig bekannt ist. Siehe auch Gavagai, Idiolekt, Übersetzungsunbestimmtheit, Unbestimmtheit, Übersetzungshandbuch, Ostension, Zeigen.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Hans-Georg Gadamer über Übersetzung – Lexikon der Argumente

I 387
Übersetzung/Gadamer: Der Übersetzer muss (...) den zu verstehenden Sinn in den Zusammenhang hinübertragen, in dem der Partner des Gespräches lebt. Der Sinn soll [dabei] erhalten
I 388
bleiben, aber da er in einer neuen Sprachwelt verstanden werden soll, muss er in ihr auf neue Weise zur Geltung kommen.
Vgl. >Bedeutungswandel
, >Bedeutungswandel/Rorty, >Sinn, >Meinen.
Jede Übersetzung ist daher schon Auslegung, ja man kann sagen, sie ist immer die Vollendung der Auslegung, die der Übersetzer dem ihm vorgegebenen Wort hat angedeihen lassen. Solche kunstvolle Veranstaltung ist gewiss nicht der Normalfall für ein Gespräch. Übersetzung ist auch nicht der Normalfall unseres Verhaltens zu einer fremden Sprache. Vielmehr ist das auf Übersetzung Angewiesensein wie eine Selbstentmündigung der Partner. Wo es der Übersetzung bedarf, muss der Abstand zwischen dem Geist des ursprünglichen Wortlauts des Gesagten und dem der Wiedergabe in Kauf genommen werden.
I 389
Auch wenn wir noch so getreu sein wollen, werden wir vor missliche Entscheidungen gestellt.
Wenn wir in unserer Übersetzung einen uns wichtigen Zug am Original herausheben wollen, so können wir das nur, indem wir andere Züge in demselben zurücktreten lassen oder ganz unterdrücken. Das ist aber genau das Verhalten, das wir als Auslegen kennen. Übersetzung ist wie jede Auslegung eine Überhellung. Wer übersetzt, muss solche Überhellung auf sich nehmen.
I 406
Es scheint wie ausgeschlossen, dass andere Worte fremder Sprachen dieselben Sachen ebenso angemessen nennen können. Das treffende Wort scheint immer nur das eigene und immer nur ein einziges sein zu können, so gewiss die gemeinte Sache jeweils eine ist. Schon die Qual des Übersetzens beruht zuletzt darauf, dass die Originalworte von den gemeinten Inhalten unlösbar scheinen, so dass man, um einen Text verständlich zu machen, ihn oft weitläufig auslegend umschreiben muss, statt ihn zu übersetzen.
Je empfindlicher unser historisches Bewusstsein reagiert, desto mehr scheint es die Unübersetzbarkeit des Fremden zu empfinden. Damit wird aber die innige Einheit von Wort und Sache zu einem hermeneutischen Skandalon. Wie soll es möglich sein, eine fremde Überlieferung überhaupt zu verstehen, wenn wir derart in die Sprache, die wir sprechen, gleichsam gebannt sind?
GadamerVs: Es gilt, diesen Gedankengang als scheinhaft zu durchschauen. In Wahrheit bekundet die Empfindlichkeit unseres historischen Bewusstseins das Gegenteil. Immer bleibt das verstehende und auslegende Bemühen sinnvoll. Darin demonstriert sich die überlegene Allgemeinheit, mit der sich die Vernunft über die Schranken jeder gegebenen Sprachverfassung erhebt. Die hermeneutische Erfahrung ist das Korrektiv, durch das sich die denkende Vernunft dem Bann des Sprachlichen entzieht, und sie ist selber sprachlich verfasst.
>Hermeneutik/Gadamer.

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977

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