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Verfassung: Eine Verfassung ist das oberste Gesetz eines Staates. Sie legt die grundlegenden Prinzipien fest, nach denen der Staat regiert wird, wie z. B. die Befugnisse der Regierung, die Rechte der Bürger und die Beziehungen zwischen der Regierung und den Bürgern.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Ernst-Wolfgang Böckenförde über Verfassung – Lexikon der Argumente

Brocker I 775
Verfassung/Böckenförde: Böckenförde operiert methodisch mit zwei Verfassungsbegriffen: a) einem normativ-systematischen und b) einem historischen. Letzterer ist entlang der geschichtlichen Entwicklung in seinem Bedeutungswandel zu verstehen. Dieser Bedeutungswandel tritt ein in Abhängigkeit von der Form und Legitimationsquelle politischer Ordnung. (1)
In der vorrevolutionären, noch nicht von souveräner Staatsgewalt gekennzeichneten Ordnung ist die Verfassung ein Herrschaftsvertrag, der die wesentlich linearen Herrschaftsverhältnisse zwischen König bzw. Landesherren und nachgeordneten Herrschaftsträgern regelt. Die Gesamtheit solcher Verträge in einem Territorium macht dann die Verfassung eines Landes aus. (2)
Mit dem Aufkommen einer souveränen Staatsgewalt, „d.h. der letztverbindlichen, dem hergebrachten Rechtszustand überlegenen Entscheidungszuständigkeit und rechtlichen Gestaltungsmacht ausgestaltet, in der höchst sich selbst behauptende Macht und Recht miteinander verknüpft sind“ (3) ändert sich die Bedeutung der Verfassung: Ihr Gegenstand ist jetzt die Organisation, Ausübung und Begrenzung staatlicher Herrschaftsgewalt. Bsp Konstitutionelle Monarchie: hier ist der Monarch als Träger der Staatsgewalt durch die Verfassung in
Brocker I 776
seinem Herrschaftsanspruch begrenzt, gegebenenfalls auch durch Zustimmungspflicht der parlamentarischen Vertretung des Bürgertums.
Demokratie: hier tritt eine weitere Funktion der Verfassung hinzu: sie bildet hier die rechtliche Grundlage der durch sie entstehenden politischen Herrschaft, die diese also überhaupt erst konstituiert und verfasst.(4)
Souveränität: da der Verfassung vor anderen Rechtsnormen ein Vorrang zukommt, ist die Frage, welcher Raum für die Souveränität des Volkes bleibt. „Die Berufung auf die Volkssouveränität erfolgt zwar zur Legitimation der Verfassung, aber innerhalb und auf dem Boden der Verfassung kommt sie nicht vor.“ (5) Selbst wenn das Volk die Verfassung ändern will, erscheint dies, als eine Befugnis aus der Verfassung und ist nur in ihrem Rahmen zugelassen.
Verfassunggebende Gewalt des Volkes/Böckenförde: ist ein Grenzbegriff des Verfassungsrecht ((s) für die philosophische Problematik: siehe „Außen/innen“
). Sie ist weder eine bloß hypothetische Konstruktion noch lediglich eine naturrechtliche Grundnorm, sondern eine reale politische Größe, die in bestimmten historischen Situationen zu Tage tritt. Durch sie artikulieren sich die im Volk vorzufindenden Ordnungsideen und Gerechtigkeitsvorstellungen, die dann die Verfassung prägen. (6) Bei der Ausübung der verfassunggebenden Gewalt unter liegt das Volk bzw. die Kraft, die in seinem Auftrag handelt, keinen rechtlichen Beschränkungen. Hier stellt sich dann aber die Frage nach den vorrechtlichen Bindungen, nach dem Ethos, dass den pouvoir constituant auf moralische Grundsätze verpflichtet. Siehe Politik/Böckenförde.
Brocker I 781
Verfassung/Böckenförde: sollte als Rahmenordnung für den Staat und fr die Beziehung zwischen Staat und Bürger, aber nicht als umfassende Grundordnung des Gemeinwesens angesehen werden. Hintergrund: Böckenförde sieht die Gefahr, die Rechtsprechung des Verfassungsgericht als Gesetzgebungsinstanz mit inhaltlich verstandenen Grundrechten (Siehe Grundrechte/Böckenförde) zu missbrauchen. Lösung: Grundrechte sollten als subjektive Abwehrrechte aufgefasst werden und nicht als objektive Normen im Sinne einer Ordnung des Gemeinwesens.

1. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat – Verfassung – Demokratie. Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt/M. 1992 (zuerst 1991), S. 29-32.
2. Ebenda S. 31.
3. Ebenda S. 33.
4. Ebenda S. 43
5. Ebenda S. 44
6. Vgl. ebenda S. 94.

Tine Stein, „Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat – Verfassung- Demokratie“, in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Böckenf I
Ernst-Wolfgang Böckenförde
Staat, Gesellschaft, Freiheit. Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht Frankfurt 1976

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018

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