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Fragen | Collingwood | Gadamer I 376 Frage/Antwort/Collingwood/Gadamer: [Collingwood hat in] einer geistreichen und treffenden Kritik der „realistischen“ Oxfordschule den Gedanken einer „Logic of question and answer“ entwickelt, ist aber zu einer systematischen Ausführung leider nicht gekommen.(1) Er hat mit Scharfsinn erkannt, was der naiven Hermeneutik fehlt, die der üblichen philosophischen Kritik zugrunde liegt. CoolingwoodVsTradition: Insbesondere das Verfahren, das Collingwood im englischen Universitätssystem vorfand, die Diskussion von statements, vielleicht eine gute Übung des Scharfsinns, verkennt offenbar die in allem Verstehen gelegene Geschichtlichkeit. Collingwood These: In Wahrheit kann man einen Text nur verstehen, wenn man die Frage verstanden hat, auf die er eine Antwort ist. Da man diese Frage aber nur aus dem Text gewinnen kann, mithin die Angemessenheit der Antwort die methodische Voraussetzung für die Rekonstruktion der Frage darstellt, ist die Kritik an dieser Antwort, die man von irgendwo her führt, die reine Spiegelfechterei. Voraussetzung: Es ist wie bei dem Verstehen von Kunstwerken. Auch ein Kunstwerk wird nur verstanden, indem man seine Adäquation voraussetzt. Auch hier muss die Frage erst gewonnen werden, auf die es antwortet, wenn man es - als Antwort - verstehen will. Gadamer: In der Tat handelt es sich dabei um ein Axiom aller Hermeneutik (...) >Vollkommenheit/Gadamer, >Geschichte/Collingwood; GadamerVsCollingwood: >Text/Gadamer. 1. Vgl. Collingwoods Autobiographie, die auf meine Anregung hin unter dem Titel „Denken“ in deutscher Übersetzung erschienen ist, S. 30ff., und die ungedruckte Heidelberger Dissertation von Joachim Finkeldei, Grund und Wesen des Fragens, 1954. Eine ähnliche Stellung nimmt schon Croce (der Collingwood beinflußt hat) ein, der in seiner „Logik“ (deutsche Ausgabe S. 135 ff.) jede Definition als Antwort auf eine Frage und daher „historisch“ versteht. |
Coll I R. G. Collingwood Essays In Political Philosophy Oxford 1995 Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Geschichte | Collingwood | Gadamer I 376 Geschichte/Collingwood/Gadamer: Collingwood These: In Wahrheit kann man einen Text nur verstehen, wenn man die Frage verstanden hat, auf die er eine Antwort ist. Nun liegt für Collingwood hier der Nerv aller historischen Erkenntnis. Die historische Methode verlangt, dass man die Logik von Frage und Antwort auf die geschichtliche Überlieferung anwendet. Man wird die geschichtlichen Ereignisse nur verstehen, wenn man die Frage rekonstruiert, auf die das geschichtliche Handeln der Person jeweils die Antwort war. Collingwood gibt das Beispiel der Schlacht von Trafalgar und des ihr zugrunde liegenden Nelsonschen Planes. Das Beispiel will zeigen, dass der Verlauf der Schlacht eben deshalb den wirklichen Plan Nelsons verständlich mache, weil dieser zur erfolgreichen Ausführung gekommen sei. Der Plan seines Gegners dagegen sei aus dem umgekehrten Grunde, weil er nämlich gescheitert sei, aus den Ereignissen nicht mehr rekonstruierbar. Das Verstehen des Verlaufs der Schlacht und das Verstehen des Plans, den Nelson damit zur Ausführung brachte, sind danach ein und derselbe Vorgang.(1) >Plan/Collingwood. GadamerVsCollingwood: >Plan/Gadamer. 1. Collingwood, Denken, S. 70. |
Coll I R. G. Collingwood Essays In Political Philosophy Oxford 1995 Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Planung | Collingwood | Gadamer I 376 Plan/Collingwood/Gadamer: Collingwood These: In Wahrheit kann man einen Text nur verstehen, wenn man die Frage verstanden hat, auf die er eine Antwort ist. Man wird die geschichtlichen Ereignisse nur verstehen, wenn man die Frage rekonstruiert, auf die das geschichtliche Handeln der Person jeweils die Antwort war. Collingwood gibt das Beispiel der Schlacht von Trafalgar und des ihr zugrunde liegenden Nelsonschen Planes. Das Beispiel will zeigen, dass der Verlauf der Schlacht eben deshalb den wirklichen Plan Nelsons verständlich mache, weil dieser zur erfolgreichen Ausführung gekommen sei. Der Plan seines Gegners dagegen sei aus dem umgekehrten Grunde, weil er nämlich gescheitert sei, aus den Ereignissen nicht mehr rekonstruierbar. Das Verstehen des Verlaufs der Schlacht und das Verstehen des Plans, den Nelson damit zur Ausführung brachte, sind danach ein und derselbe Vorgang.(1) I 377 Gadamer: [man hat] in solchem Falle zwel verschiedene Fragen zu rekonstruieren (...), die auch zwei verschiedene Antworten finden: Die Frage nach dem Sinn im Verlauf eines großen Ereignisses und die Frage nach der Planmäßigkeit dieses Verlaufs. Offenbar fallen die beiden Fragen nur dann zusammen, wenn eln menschliches Planen dem Verlauf der Ereignisse wirklich gewachsen war. Das ist aber eine Voraussetzung, die wir als Menschen, die in der Geschichte stehen, und gegenüber einer geschichtlichen Überlieferung, in der von eben solchen Menschen die Rede ist, nicht als methodischen Grundsatz behaupten können. GadamerVsCollingwood: Tolstois berühmte Schilderung des Kriegsrates vor der Schlacht, in dem mit Scharfsinn und Gründlichkeit alle strategischen Möglichkeiten berechnet und alle Pläne beraten werden, während der Feldherr selber dabeisitzt und schläft, dafür aber in der Nacht vor dem Schlachtbeginn bei den Posten draußen die Runde macht, trifft die Sache, die wir Geschichte nennen, offenbar besser. Kutusow kommt der eigentlichen Wirklichkeit und den sie bestimmenden Kräften näher als die Strategen des Kriegsrats. Man muss aus diesem Beispiel den prinzipiellen Schluss ziehen, dass der Deuter der Geschichte immer in der Gefahr ist, den Zusammenhang, in dem er einen Sinn erkennt, als den von wirklich handelnden und planenden Menschen gemeinten zu hypostasieren.(2) Vgl. >Plan/Hegel. 1. Collingwood, Denken, S. 70. 2. Treffende Bemerkungen darüber bei Erich Seeberg: Zum Problem der pneumatischen Exegese, Sellin-Festschrift 127 ff. (Jetzt in H.-G. Gadamer/G. Boehm (Hrsg.) Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Frankfurt 1978, S. 272—282.) |
Coll I R. G. Collingwood Essays In Political Philosophy Oxford 1995 Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Planung | Gadamer | I 376 Plan/Gadamer: Collingwood gibt das Beispiel der Schlacht von Trafalgar und des ihr zugrunde liegenden Nelsonschen Planes. Das Beispiel will zeigen, dass der Verlauf der Schlacht eben deshalb den wirklichen Plan Nelsons verständlich mache, weil dieser zur erfolgreichen Ausführung gekommen sei. Der Plan seines Gegners dagegen sei aus dem umgekehrten Grunde, weil er nämlich gescheitert sei, aus den Ereignissen nicht mehr rekonstruierbar. Das Verstehen des Verlaufs der Schlacht und das Verstehen des Plans, den Nelson damit zur Ausführung brachte, sind danach ein und derselbe Vorgang.(1) >Plan/Collingwood. I 377 Gadamer: [man hat] in solchem Falle zwei verschiedene Fragen zu rekonstruieren (...), die auch zwei verschiedene Antworten finden: Die Frage nach dem Sinn im Verlauf eines großen Ereignisses und die Frage nach der Planmäßigkeit dieses Verlaufs. Offenbar fallen die beiden Fragen nur dann zusammen, wenn ein menschliches Planen dem Verlauf der Ereignisse wirklich gewachsen war. Das ist aber eine Voraussetzung, die wir als Menschen, die in der Geschichte stehen, und gegenüber einer geschichtlichen Überlieferung, in der von eben solchen Menschen die Rede ist, nicht als methodischen Grundsatz behaupten können. GadamerVsCollingwood: Tolstois berühmte Schilderung des Kriegsrates vor der Schlacht, in dem mit Scharfsinn und Gründlichkeit alle strategischen Möglichkeiten berechnet und alle Pläne beraten werden, während der Feldherr selber dabeisitzt und schläft, dafür aber in der Nacht vor dem Schlachtbeginn bei den Posten draußen die Runde macht, trifft die Sache, die wir Geschichte nennen, offenbar besser. Kutusow kommt der eigentlichen Wirklichkeit und den sie bestimmenden Kräften näher als die Strategen des Kriegsrats. Man muss aus diesem Beispiel den prinzipiellen Schluss ziehen, dass der Deuter der Geschichte immer in der Gefahr ist, den Zusammenhang, in dem er einen Sinn erkennt, als den von wirklich handelnden und planenden Menschen gemeinten zu hypostasieren.(2) Vgl. >Plan/Hegel, >Geschichtsschreibung. 1. Collingwood, Denken, S. 70. 2. Treffende Bemerkungen darüber bei Erich Seeberg: Zum Problem der pneumatischen Exegese, Sellin-Festschrift 127 ff. (Jetzt in H.-G. Gadamer/G. Boehm (Hrsg.) Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Frankfurt 1978, S. 272—282.) |
Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Texte | Gadamer | I 363 Text/Überlieferung/Kommunikation/Gadamer: Die hermeneutische Erfahrung hat es mit der Überlieferung zu tun. Sie ist es, die zur Erfahrung kommen soll. Überlieferung ist aber nicht einfach ein Geschehen, das man durch Erfahrung erkennt und beherrschen lernt, son- I 364 dern sie ist Sprache, d. h. sie spricht von sich aus so wie ein Du. Ein Du ist nicht Gegenstand, sondern verhält sich zu einem. Das ist nicht so misszuverstehen, als würde in der Überlieferung das, was da zur Erfahrung kommt, als die Meinung eines anderen, der ein Du ist, verstanden. Wir halten vielmehr fest, dass Verstehen von Überlieferung den überlieferten Text nicht als die Lebensäußerung eines Du versteht, sondern als einen Sinngehalt, der von aller Bindung an die Meinenden, an Ich und Du, abgelöst ist. Gleichwohl muss das Verhalten zum Du und der Sinn von Erfahrung, der dort statthat, der Analyse der hermeneutischen Erfahrung dienen können. Denn ein echter Kommunikationspartner, mit dem wir ebenso zusammengehören wie das Ich mit dem Du, ist auch die Überlieferung. I 376 Text/Gadamer: Collingwood These: In Wahrheit kann man einen Text nur verstehen, wenn man die Frage verstanden hat, auf die er eine Antwort ist. Man wird die geschichtlichen Ereignisse nur verstehen, wenn man die Frage rekonstruiert, auf die das geschichtliche Handeln der Person jeweils die Antwort war. >Geschichte/Collingwood, >Frage/Antwort/Collingwood. I 378 GadamerVsCollingwood: Der Gebrauch, den Collingwood von der Logik von Frage und Antwort für die hermeneutische Theorie macht, wird (...) durch [die] Extrapolation [auf das Ganze der Geschichte] zweideutig. Unser Verständnis schriftlicher Überlieferung als solches ist nicht von der Art, dass wir die Übereinstimmung zwischen dem Sinn, den wir in ihr erkennen, und dem Sinn, den ihr Urheber dabei im Auge hatte, einfach voraussetzen können. Wie das Geschehen der Geschichte im allgemeinen keine Übereinstimmung mit den subjektiven Vorstellungen dessen zeigt, der in der Geschichte steht und handelt, so reichen auch im allgemeinen die Sinntendenzen eines Textes weit über das hinaus, was der Urheber desselben im Sinne hatte. Die Aufgabe des Verstehens geht in erster Linie auf den Sinn des Textes selbst. Vgl. >GadamerVsVico. Verstehen/Gadamer: Es liegt in der geschichtlichen Endlichkeit unseres Daseins, dass wir uns dessen bewusst sind, dass nach uns andere immer anders verstehen werden. GadamerVsCollingwood: Die hermeneutische Reduktion auf die Meinung des Urhebers ist ebenso unangemessen wie bei geschichtlichen Ereignissen die Reduktion auf die Absicht der Handelnden. Vgl. >Plan/Collingwood. I 396 Text/Gadamer: Text will nicht als Lebensausdruck verstanden werden, sondern in dem, was er sagt. Schriftlichkeit ist die abstrakte Idealität der Sprache. Der Sinn einer schriftlichen Aufzeichnung ist daher grundsätzlich identifizierbar und wiederholbar. Das in der Wiederholung Identische allein ist es, das in der schriftlichen Aufzeichnung wirklich niedergelegt war. Damit ist zugleich klar, dass Wiederholen hier nicht im strengen Sinne gemeint sein kann. Es meint nicht die Zurückbeziehung auf ein ursprünglich Erstes, in dem etwas gesagt oder geschrieben ist, als solches. Lesendes Verstehen ist nicht ein Wiederholen von etwas Vergangenem, sondern Teilhabe an einem gegenwärtigen Sinn. >Schrift/Gadamer, >Literatur/Gadamer. |
Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |