Lexikon der Argumente


Philosophische Themen und wissenschaftliche Debatten
 
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Demokratie Mill Höffe I 356
Demokratie/Mill/Höffe: Mill befürchtet von der nicht näher qualifizierten, bloßen Demokratie einen Gesinnungsterror, den er mit allem Nachdruck verwirft.(1) Im Gegensatz zu einem schlichten, nur auf faktische Mehrheiten verkürzten Verständnis von Volksherrschaft deutet sich darin der Gedanke einer rechts- und verfassungsstaatlichen, konstitutionellen Demokratie an. Denn in jeder bloßen Demokratie drohe eine Zwangsherrschaft der Gesellschaft über das Individuum. Dann werde nämlich nicht, was allein erstrebenswert sei, jeder von sich selbst, sondern jeder von allen anderen regiert, sodass, was den hochgebildeten Mill erschreckt, jeder von einer ungebildeten Masse beherrscht werde.
Individualismus/Mill: Mills Ablehnung jeder Zwangsherrschaft über das Individuum erlaubt dem
Staat lediglich, Rahmenbedingungen festzulegen, innerhalb derer es jedem freisteht, seine Entscheidungen wohlinformiert selbst zu treffen.
HöffeVsMill: Die Kompromisslosigkeit dieser Parteinahme für Freiheit und Unparteilichkeit widerspricht allerdings Mills Wissenschafts- und Erkenntnistheorie. Denn sie akzeptiert
contre cæur nicht nur im Utilitarismus(2), sondern auch in der Freiheitsschrift(1), was es nach dem System der Logik gar nicht gibt: ein apriorisches Element. Vgl. >A priori/Mill.
In der Schrift Über die Unterdrückung der Frauen(3) wird Mill diesen Widerspruch selbst
einräumen. >Staat/Mill.


1. J.St. Mill. On Liberty, 1859, (dt. Über die Freiheit)
2. J.St. Mill, Utilitarianism 1861
3. J.St. Mill The Subjection of Women, 1869 (dt. Die Hörigkeit der Frau)



Brocker I 508
Demokratie/Lernen/Fähigkeiten/Persönlichkeit/Mill: Der Prozess der Vervollkommnung der menschlichen Fähigkeiten (in kognitiver, moralischer und emotionaler Perspektive) erfordert individuellen Mut und wird – wie Mill sehr kritisch in On Liberty konstatiert – durch die Demokratie und Mehrheitsentscheidungen unterminiert. Demokratie besitzt eine inhärente Tendenz zu Mittelmäßigkeit, die freiheitsbeschneidend ist. SchaalVsPateman: Carole Pateman(1) verkürzt Mill unzulässig, in dem sie sich maßgeblich auf Mills On Representative Government bezieht und den Zusammenhang zwischen Freiheit und der ganzheitlichen Ausbildung menschlicher Fähigkeiten weitgehend ignoriert, den Mill in On Liberty ausführt (in Rekurs auf Wilhelm von Humboldt).


1. Carole Pateman, Participation and Democratic Theory, Cambridge 1970, S. 34f

Gary S. Schaal, “Carole Pateman, Participation and Democratic Theory” in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

Mill I
John St. Mill
Von Namen, aus: A System of Logic, London 1843
In
Eigennamen, Ursula Wolf Frankfurt/M. 1993

Mill II
J. St. Mill
Utilitarianism: 1st (First) Edition Oxford 1998

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Demokratietheorie Pateman Brocker I 505
Demokratietheorie/Pateman: PatemanVsSchumpeter/PatemanVsSartori: These: Die Ausbildung positiver Einstellungen zur Demokratie sei keine Frage kognitiver Kompetenzen, sondern der Demokratisierung einer bislang undemokratischen institutionellen Struktur, die systematisch undemokratische Einstellungen und Gefühle individueller Inkompetenz erzeugt: der kapitalistischen Güterproduktion. Siehe Demokratietheorie/Schumpeter, Demokratietheorie/Sartori.
Demokratie/Tradition: Die Sphäre der Güterproduktion muss zur Sicherung der Produktivität und Effizienz jedoch undemokratisch bleiben. Damit besteht keine Alternative zum demokratischen Status quo, die nicht die Demokratie selbst gefährden würde.
Brocker I 506
PatemanVsTradition: 1. VsSchumpeter: der normative Bewertungsmassstab ist falsch konstruiert: der Begriff einer „klassischen Demokratietheorie“ ist ein Mythos. (1) Die Quellen sind heterogener als traditionsllerweise behauptet wird. Ideengeschichte/Pateman: darf nicht auf reine Normativität verkürzt werden.
Arbeit/Demokratisierung: 2.PatemanVsSchumpeter: Demokratische Beteiligung und Produktivität widersprechen sich nicht.
VsPateman: diese rekonstruiert Schumpeter nicht in den dynamischen Aspekten seier Arbeit. Eine Berücksichtigung von Schumpeters Analyse der Bedeutung von Führung, Kreativität und Innovation für den Kapitalismus
Brocker I 507
hätte die Überzeugungskraft ihrer Argumentation verbessert.

1. Carole Pateman, Participation and Democratic Theory, Cambridge 1970, S. 17.

Gary S. Schaal, “Carole Pateman, Participation and Democratic Theory” in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

PolPate I
Carole Pateman
Political Culture, Political Structure and Political Change 1971

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Identität Mouffe Gaus I 283
Staatsbürgerschaft/Identität/Mouffe/Mottier: Mouffe (1992)(1) (...) gründet ihre Konzeption von Staatsbürgerschaft sowohl auf einer Kritik als auch auf einer kritischen Wiederaneignung des Liberalismus. Mouffes Projekt der 'pluralistischen Demokratie' stützt sich jedoch auch stark auf postmoderne und poststrukturalistische Argumente (...). >Demokratie/Mouffe; vgl. >Identität/Postmoderne, >Gender/Poststrukturalismus. MouffeVsEssentialismus: In der Tat nimmt Mouffe eine antiessentialistische Position gegenüber der Staatsbürgerschaft ein und betont die soziale und politische Konstruktion von Geschlechtsidentitäten. Bestimmte Feministinnen befürchten, dass antiessentialistische Positionen die Möglichkeiten für politische Aktionen und Mobilisierung rund um die Identität der Frauen einschränken. Für Mouffe ist die Kritik an essenzialistischen Identitäten im Gegenteil sogar eine Voraussetzung für eine wirklich feministische Politik.
Geschlechtsunterschied: Die vordringlichste Aufgabe besteht ihrer Ansicht nach darin, den Prozess der sozialen Konstruktion zu erkennen, durch den der Geschlechtsunterschied als strukturierender Faktor der sozialen Unterordnungsverhältnisse so wichtig geworden ist. Nach Mouffe ist es gerade innerhalb
Gaus I 284
dieser Prozesse, in denen die wirklichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft bestimmt werden. Daher ist eine Perspektive, die sich nur auf die Folgen des Geschlechtsunterschiedes konzentriert - ob "Gleichbehandlung" bedeutet, dass Frauen und Männer unterschiedlich oder gleich behandelt werden sollten - in ihren Augen bedeutungslos. MouffeVsPateman/MouffeVsElshtain: Mouffes Antiessentialismus führt sie dazu, Feministinnen zu kritisieren, die sich vor allem für die Aufwertung weiblicher Werte einsetzen, wie z.B. Pateman oder Elshtain (wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven). Für Mouffe, wie auch für Judith Butler (1990)(2), ist eine solche Position problematisch, da sie die Existenz homogener Identitäten wie "Männer" und "Frauen" voraussetzt.
Staatsbürgerschaft: Im Gegensatz zu Pateman und Young ist Mouffe der Meinung, dass die Lösung nicht darin besteht, Geschlechts- oder andere Gruppenmerkmale für das Konzept der Staatsbürgerschaft relevant zu machen, sondern im Gegenteil, ihre Bedeutung zu verringern. Das Projekt einer radikalen und demokratischen Staatsbürgerschaft, das sie vorschlägt, impliziert eine Konzeption von Staatsbürgerschaft, die weder geschlechtsspezifisch noch geschlechtsneutral ist und auf einer wirklichen Gleichheit und Freiheit aller Bürger beruht. Sie schlägt im Gegenteil vor, sich auf politische Fragen und Ansprüche zu konzentrieren und nicht auf vermeintlich fixierte und wesentliche Geschlechtsidentitäten. Dementsprechend muss die Unterscheidung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich von Fall zu Fall neu definiert werden, je nach Art der politischen Forderungen, und nicht auf eine feste und dauerhafte Weise.


1. Mouffe, Chantal (1992) 'Feminism, citizenship and radical democratic politics'. In Judith Butler and Joan Scott, Hrsg., Feminists Theorise the Political. New York: Routledge, 22-40.
2. Butler, Judith (1990) Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. New York: Routledge.


Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Partizipation Pateman Brocker I 510
Partizipation/Pateman: »Für das Bestehen eines demokratischen Gemeinwesens ist also das Bestehen einer partizipativen Gesellschaft notwendig, also einer Gesellschaft, in der alle politischen Systeme demokratisiert worden sind und eine Sozialisation durch Partizipation in allen Bereichen stattfinden kann. Der wichtigste Bereich ist die Industrie« (1). Damit stellt sich Pateman gegen traditionelle Ansätze der Demokratietheorie, die die Fragen der Demokratie auf das Politische reduzieren. PatemanVsSchumpeter, PatemanVsSartori: siehe Demokratietheorie/Sartori, Demokratietheorie/Schumpeter.
Schaal: Pateman argumentiert nicht aus sozialistischer Perspektive, sondern ihre Forderung nach Ausdehnung demokratischer Mechanismen auf außerpolitische Bereiche wie Industriearbeit erfolgt aus der systematischen Explikation der normativen Ideale des Liberalismus.
VsPateman: ihr Ansatz der „Quasi-Empirie“ wird von späteren Autoren als zu wenig überzeugend kritisiert. Vgl, Schonfeld, 1975, (2), Moon 1972 (3).
Brocker I 514
Pateman/Schaal: Patemans Participation and Democratic Theory gehört zum Kanon der modernen Klassiker der (englischsprachigen) partizipativen Demokratietheorie (Held 1987, 254-264 (4)) und wurde als Standardwerk der partizipativen Demokratietheorie erst 1984 von Benjamin Barbers Strong Democracy abgelöst.
1. Carole Pateman, Participation and Democratic Theory, Cambridge 1970, S. 43
2. Schonfeld, William R., »The Meaning of Democratic Participation«, in: World Politics 28/1, 1975, 134-158.
3. Moon, J. Donald, »Participation and Democracy. A Review Essay«, in: Midwest Journal of Political Science 16/3, 1972, 473-485.
4. David Held, David, Models of Democracy, Cambridge 1987.


Gary S. Schaal, “Carole Pateman, Participation and Democratic Theory” in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

PolPate I
Carole Pateman
Political Culture, Political Structure and Political Change 1971

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Privatsphäre Elshtain Gaus I 280
Privatsphäre/Elshtain/Mottier: Während sich Feministinnen über die Notwendigkeit der Demokratisierung der Privatsphäre einig sind, sind sie sich über die politischen Lösungen uneins. Pateman(1) zum Beispiel plädiert dafür, die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre zugunsten einer stärkeren Politisierung der Privatsphäre aufzugeben. Andere Autoren halten es für wesentlich, klare Grenzen zwischen den beiden Sphären beizubehalten. ElshtainVsPateman: Vor allem Jean Bethke Elshtain (1981(2)) lehnt die Position Patemans vehement ab. Sie hält die Assimilierung beider Sphären hält sie für "totalitär", da sie alle Lebensbereiche außerhalb der Politik zu belassen.
Politische Sphäre/Privatsphäre/Elshtain: [Elshtain] hält die Assimilation beider Sphären für "totalitär", da sie keine Lebensbereiche außerhalb der Politik belassen würde. Nach Elshtain führt die liberalistische starre Trennung der Sphären dazu, dass Familienwerte, Solidarität und Fürsorge aus der politischen Sphäre entfernt werden. Die öffentliche Sphäre wird zu einem Raum, der nur noch durch das Prinzip der individualistischen, rationalen Verfolgung egoistischer Eigeninteressen geregelt wird. Folglich wird die politische Sphäre ihrer zentraleren Werte entleert. Elshtain argumentiert daher, dass die Anwendung von Prinzipien der öffentlichen Sphäre auf die private Sphäre die negativsten Tendenzen der modernen Welt freisetzt.
Familie/Elshtain: Die Familie, so argumentiert sie, sollte durch die rigorose Aufrechterhaltung klarer Grenzen zwischen den beiden Sphären vor den destruktiven Auswirkungen der Politisierung geschützt werden.


1. Pateman, Carole (1989) The Disorder of Women: Democracy, Feminism and Political Theory.
Cambridge: Polity.
2. Elshtain, Jean Bethke (1981) Public Man, Private Women: Women in Social and Political Thought. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Privatsphäre Pateman Gaus I 280
Privatsphäre/Pateman/Mottier: Während sich Feministinnen über die Notwendigkeit der Demokratisierung der Privatsphäre einig sind, sind sie sich über die politischen Lösungen uneins. Pateman(1) zum Beispiel plädiert dafür, die Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre zugunsten einer stärkeren Politisierung der Privatsphäre aufzugeben. Andere Autoren halten es für wesentlich, klare Grenzen zwischen den beiden Sphären beizubehalten. ElshtainVsPateman: Vor allem Jean Bethke Elshtain (1981(2)) lehnt die Position Patemans vehement ab. Sie hält die Assimilierung beider Sphären für "totalitär", da sie keine Lebensbereiche außerhalb der Politik ließe. >Privatsphäre/Elshtain.


1. Pateman, Carole (1989) The Disorder of Women: Democracy, Feminism and Political Theory.
Cambridge: Polity.
2. Elshtain, Jean Bethke (1981) Public Man, Private Women: Women in Social and Political Thought. Princeton, NJ: Princeton University Press.

Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

PolPate I
Carole Pateman
Political Culture, Political Structure and Political Change 1971

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Rousseau Pateman Brocker I 507
Rousseau/Pateman: These: Rousseau sei ein Theoretiker der partizipatorischen Demokratietheorie par excellence. 1. Es gebe einen (kausalen) Zusammenhang zwischen den Machtstrukturen in Institutionen und den Einstellungen und Dispositionen der Menschen, die innerhalb dieser Institutionen arbeiten bzw. handeln. (1)
2. Partizipation/Rousseau/Pateman: These: Partizipation besitze für Rousseau (und damit für Pateman) vor allem eine erzieherische Funktion.(2)
SchaalVsPateman: die Schlüsse, die Pateman aus ihrer Lektüre Rousseaus zieht, werden von der neueren Rousseau-Forschung nicht gedeckt: a) Rousseaus „Vom Gesellschaftsvertrag“ führt keinen Wahlkampf, b) Ob Entscheidungsfindung bei Rousseau intern oder öffentlich geschieht, ist umstritten.

1. Carole Pateman, Participation and Democratic Theory, Cambridge 1970, S. 26
2. Ebenda S. 27


Gary S. Schaal, “Carole Pateman, Participation and Democratic Theory” in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018

PolPate I
Carole Pateman
Political Culture, Political Structure and Political Change 1971

Brocker I
Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018
Staatsbürgerschaft Mouffe Gaus I 283
Staatsbürgerschaft/Identität/Mouffe/Mottier: Mouffe (1992)(1) (...) gründet ihre Konzeption von Staatsbürgerschaft sowohl auf einer Kritik als auch auf einer kritischen Wiederaneignung des Liberalismus. Mouffes Projekt der 'pluralistischen Demokratie' stützt sich jedoch auch stark auf postmoderne und poststrukturalistische Argumente (...). >Demokratie/Mouffe, vgl. >Identität/Postmoderne, >Gender/Poststrukturalismus. MouffeVsEssentialismus: In der Tat nimmt Mouffe eine antiessentialistische Position gegenüber der Staatsbürgerschaft ein und betont die soziale und politische Konstruktion von Geschlechtsidentitäten. Bestimmte Feministinnen befürchten, dass antiessentialistische Positionen die Möglichkeiten für politische Aktionen und Mobilisierung rund um die Identität der Frauen einschränken. Für Mouffe ist die Kritik an essenzialistischen Identitäten im Gegenteil sogar eine Voraussetzung für eine wirklich feministische Politik.
Geschlechtsunterschied: Die vordringlichste Aufgabe besteht ihrer Ansicht nach darin, den Prozess der sozialen Konstruktion zu erkennen, durch den der Geschlechtsunterschied als strukturierender Faktor der sozialen Unterordnungsverhältnisse so wichtig geworden ist. Nach Mouffe ist es gerade innerhalb
Gaus I 284
dieser Prozesse, in denen die wirklichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft bestimmt werden. Daher ist eine Perspektive, die sich nur auf die Folgen des Geschlechtsunterschiedes konzentriert - ob "Gleichbehandlung" bedeutet, dass Frauen und Männer unterschiedlich oder gleich behandelt werden sollten - in ihren Augen bedeutungslos. MouffeVsPateman/MouffeVsElshtain: Mouffes Antiessentialismus führt sie dazu, Feministinnen zu kritisieren, die sich vor allem für die Aufwertung weiblicher Werte einsetzen, wie z.B. Pateman oder Elshtain (wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven). Für Mouffe, wie auch für Judith Butler (1990)(2), ist eine solche Position problematisch, da sie die Existenz homogener Identitäten wie "Männer" und "Frauen" voraussetzt.
Staatsbürgerschaft: Im Gegensatz zu Pateman und Young ist Mouffe der Meinung, dass die Lösung nicht darin besteht, Geschlechts- oder andere Gruppenmerkmale für das Konzept der Staatsbürgerschaft relevant zu machen, sondern im Gegenteil, ihre Bedeutung zu verringern. Das Projekt einer radikalen und demokratischen Staatsbürgerschaft, das sie vorschlägt, impliziert eine Konzeption von Staatsbürgerschaft, die weder geschlechtsspezifisch noch geschlechtsneutral ist und auf einer wirklichen Gleichheit und Freiheit aller Bürger beruht. Sie schlägt im Gegenteil vor, sich auf politische Fragen und Ansprüche zu konzentrieren und nicht auf vermeintlich fixierte und wesentliche Geschlechtsidentitäten. Dementsprechend muss die Unterscheidung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich von Fall zu Fall neu definiert werden, je nach Art der politischen Forderungen, und nicht auf eine feste und dauerhafte Weise.


1. Mouffe, Chantal (1992) 'Feminism, citizenship and radical democratic politics'. In Judith Butler and Joan Scott, Hrsg., Feminists Theorise the Political. New York: Routledge, 22-40.
2. Butler, Judith (1990) Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. New York: Routledge.


Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004
Staatsbürgerschaft Walby Gaus I 281
Staatsbürgerschaft/Walby/Mottier: Tradition: Die politische Theorie des Mainstream (...) betrachtet Staatsbürgerschaft als ein universelles Konzept. Demokratische Rechte der sozialen und politischen Partizipation gelten für jeden Bürger ohne Rücksicht auf seine Rasse, Religion oder sein Geschlecht. FeminismusVsTradition: Feministische Autorinnen haben gezeigt, dass die zentralen Prämissen universalistischer Konzeptionen von Staatsbürgerschaft aufgrund der geschlechtsspezifischen Verzerrung fehlerhaft sind. Wie die Arbeiten von Vicky Randall (1998)(1), Ruth Lister (1997)(2) und Sylvia Walby (1994)(3) zeigen, wurden Frauen entweder ausgeschlossen oder auf unterschiedliche Weise in die Staatsbürgerschaft einbezogen.
WalbyVsTradition: Walbys historische Analyse zeigt zum Beispiel den geschlechtsspezifischen Charakter von Staatsbürgerschaft durch eine kritische Bewertung des Werkes von T. H. Marshall (1950)(4), das oft als Ausgangspunkt für moderne Debatten über diese Frage genommen wird (...). >Staatsbürgerschaft/Marshall.
Staatsbürgerschaft/Marshall: Nach Marshall entwickelten sich nacheinander verschiedene Arten von Staatsbürgerschaft, wobei die Bürgerrechte im achtzehnten, die politischen Rechte im neunzehnten und die sozialen Rechte im zwanzigsten Jahrhundert entstanden.
WalbyVsMarshall: Walby analysiert die Geschichte der Staatsbürgerschaft im Vereinigten Königreich und in den USA und stellt Marshalls These in Frage. Bis in die 1920er Jahre beispielsweise hatten britische und amerikanische Frauen im Gegensatz zu Männern noch nicht die Mehrheit der bürgerlichen und politischen Rechte erworben. Zudem wurden die politischen Rechte von Frauen vor den Bürgerrechten erworben, was im Widerspruch zu Marhalls sequenziellem Modell steht. Mit anderen Worten, wie Walby zeigt, haben die drei von Marshall beschriebenen Arten von Bürgerrechten für verschiedene soziale Gruppen unterschiedliche historische Bahnen genommen.
Die Konzeption eines einzigartigen Modells von Staatsbürgerschaft offenbart daher eine geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, die auch in den Arbeiten späterer Autoren, die auf Marshalls Werk aufbauten, wie Turner und Mann, vorhanden ist. Wie Walby betont, legen diese Autoren in ähnlicher Weise den Schwerpunkt auf die Bedeutung der sozialen Klasse in der Geschichte der Staatsbürgerschaft und der Bildung des Nationalstaats, vernachlässigen aber andere Faktoren wie Geschlecht oder Rasse. In dieser Hinsicht schließt sich Walby anderen feministischen Kritikerinnen des Konzepts der Staatsbürgerschaft an, wie z.B. Lister (1990)(5) und Pateman (1989)(6), für die die Tatsache, dass Frauen in keiner Demokratie als vollwertige und gleiche Bürgerinnen behandelt wurden, bedeutet, dass "Demokratie nie existiert hat" (1989(6): 372).
Geschlechterrollen/WalbyVsPateman/WalbyVsLister: Walby weist jedoch auch auf einen wichtigen Widerspruch in ihrer Arbeit hin: Einerseits stellen Autoren wie Lister und Pateman die geschlechtsspezifische Natur der Grenzen zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten in Frage, während sie auf der Bedeutung weiblicher Werte und Rollen (Pateman, 1991)(7) und auf der Anerkennung der Arbeit von Frauen im privaten Bereich durch die öffentliche Sphäre (Lister, 1990)(5) bestehen.


1. Randall, Vicky (1998) 'Gender and power: women engage the state'. In Vicky Randall and Georgina
Waylen, Hrsg., Gende'; Politics and the State. London: Routledge, 185-205.
2. Lister, Ruth (1997) Citizenship: Feminist Perspectives. Basingstoke: Macmillan.
3. Walby, Sylvia (1994) 'Is citizenship gendered?' Sociology, 28 (2): 379-95.
4. Marshall, T. H. (1950) Class, Citizenship and Social Development. Chicago: University of Chicago Press.
5. Lister, Ruth (1990) 'VVomen, economic dependency and citizenship'. Journal of Social Policy, 19 (4): 445-67.
6. Pateman, Carole (1989) The Disorder of Women: Democracy, Feminism and Political Theory.
Cambridge: Polity.
7. Pateman, Carole (1991) The Disorder of Women. Stanford: Stanford University Press.

Véronique Mottier 2004. „Feminism and Gender Theory: The Return of the State“. In: Gaus, Gerald F. & Kukathas, Chandran 2004. Handbook of Political Theory. SAGE Publications

Gaus I
Gerald F. Gaus
Chandran Kukathas
Handbook of Political Theory London 2004