Begriff/ Autor/Ismus |
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Aufklärung | Herder | Gadamer I 204 Aufklärung/Geschichte/Herder/Gadamer: [die Historische Schule stützt sich] in ihrem Anspruch, dass nicht die spekulative Philosophie, sondern allein die historische Forschung zu einer universalgeschichtlichen Ansicht führen kann [auf Herder]: HerderVsAufklärung: Herders Angriff gegen den Vernunftstolz der Aufklärung hatte in der Musterhaftigkeit des klassischen Altertums, die insbesondere Winckelmann verkündet hatte, seine schärfste Waffe. Winckelmann: Seine „Geschichte der Kunst des Altertums“ war zwar unverkennbar mehr als eine historische Darstellung. Sie war Kritik der Gegenwart und war ein Programm. Aber kraft der Zweideutigkeit, die aller Gegenwartskritik anhaftet, bedeutet die Verkündung der Vorbildlichkeit der griechischen Kunst, die der eigenen Gegenwart ein neues Ideal aufrichten sollte, dennoch einen echten Schritt zu geschichtlicher Erkenntnis. ((s) WinckelmannVsAufklärung). Herder brauchte nur wenig über die von Winckelmann gelegte Grundlage hinauszugehen und das dialektische Verhältnis von Musterhaftigkeit und Unwiederholbarkeit in aller Vergangenheit zu erkennen, um der teleologischen Geschichtsbetrachtung der Aufklärung eine universale historische Weltansicht entgegenzusetzen. Historisch denken heißt jetzt, jeder Epoche ein eigenes Daseinsrecht, ja eine eigene Vollkommenheit zugestehen. Diesen Schritt hat Herder grundsätzlich getan. GadamerVsHerder: Die historische Weltansicht konnte freilich noch nicht zur vollen Ausbildung kommen, solange klassizistische Vorurteile dem klassischen Altertum eine vorbildliche Sonderstellung zubilligten. Nicht nur eine Teleologie im Stile des Vernunftglaubens der Aufklärung, auch eine umgekehrte Teleologie, die das Vollkommene einer Vergangenheit oder einem Anfang der Geschichte vorbehält, erkennt noch einen geschichts-jenseitigen Maßstab an. >Geschichte/Gadamer, >Geschichte/Winckelmann, >Geschichte/Historismus. |
Herder I Johann Gottfried Herder Herder: Philosophical Writings Cambridge 2002 Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Aufklärung | MacIntyre | Brocker I 659 Aufklärung/Moral/Ethik/MacIntyre: Die Aufklärung stellt für MacIntyre den gescheiterten Versuch dar, mit Hilfe einer universalen Moral auf der Grundlage der Vernunft den nachmittelalterlichen Pluralismus und Eklektizismus zu überwinden.(1) >Pluralismus, >Universalismus, >Moral. Die Aufklärung habe „unzusammenhängende Bruchstücke eines einst zusammenhängenden Denk- und Handlungssystems“(2) als Grundlage nehmen wollen. Problem: Es gibt Brüche zwischen einer Entteleologisierung des Moralsystems und einer gleichzeitigen Abhängigkeit von einem teleologischen Rahmen. >Teleologie. MacIntyreVsAufklärung: Die Suche nach einem moralischen Standpunkt, der von der gesellschaftlichen Ordnung unabhängig zu sein vorgibt, stellt eine Illusion dar. An die Stelle von Gütern, Traditionen und gesellschaftlichen Verhältnissen sind Pflichten, Regeln und Gesetze getreten. >Pflicht, >Gesetze, >Regeln. MacIntyreVsKant: In Kants moralischen Schriften ist der „Gedanke, dass Moral etwas anderes als das Befolgen von Regeln ist Brocker I 660 fast, wenn nicht sogar ganz aus dem Blickfeld verschwunden“.(3) >I. Kant, >Moral/Kant, >Kategorischer Imperativ, >Prinzipien. 1. Alasdair MacIntyre, After Virtue. A Study in Moral Theory, Notre Dame, Ind. 1981. Dt: Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt/M. 2006 (zuerst 1987), S. 61. 2. Ebenda S. 80 3. Ebenda S. 313f. Jürgen Goldstein, „Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Aufklärung | Romantik | Gadamer I 278 Aufklärung/Romantik/RomantikVsAufklärung/Gadamer: Im Gegenwurf gegen den Perfektionsglauben der Aufklärung, der auf die Vollendung der Befreiung von und den Vorurteilen der Vergangenheit hin denkt, gewinnt nun die Frühe der Zeiten, die mythische Welt, das vom Bewusstsein nicht zersetzte, ungebrochene Leben in einer „naturwüchsigen Gesellschaft“, die Welt des christlichen Rittertums romantischen Zauber, ja Vorrang an Wahrheit.(1) Vgl. >Mythos/Romantik. Die Umkehrung der Voraussetzung der Aufklärung hat die paradoxe Tendenz der Restauration zur Folge, das heißt die Tendenz zur Wiederherstellung des Alten, weil es das Alte ist, der bewussten Rückkehr zum Unbewussten usw. und gipfelt in der Anerkennung der überlegenen Weisheit der mythischen Urzeit. Durch diese romantische Umkehrung des Wertmaßstabes der Aufklärung wird aber die Voraussetzung der Aufklärung, der abstrakte Gegensatz von Mythos und Vernunft, gerade verewigt. Alle Kritik der Aufklärung nimmt nunmehr den Weg dieser romantischen Um-Spiegelung der Aufklärung. Der Glaube an die Perfektibilität der Vernunft springt um in den an die Perfektion des »mythischen“ Bewusstseins und reflektiert sich in einen paradiesischen Urstand vor dem Sündenfall des Denkens.(2) >Wissenschaft/Romantik. 1. In einer kleinen Studie über Immermanns "Chiliastische Sonette« (Kleine Schriften II, S. 136—147; jetzt in Bd. 9 der Ges. Werke) habe ich ein Beispiel für diesen Vorgang analysiert. 2. Vgl. dazu meine Arbeiten "Mythos und Vernunft" (Kl Schr, IV, S. 48—53; in Bd. 8 der Ges. Werke) und „Mythos und Wissenschaft“ (in Bd. 8 der Ges. Werke) |
Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Nietzsche | MacIntyre | Brocker I 660 Nietzsche/Moral/Ethik/MacIntyreVsAufklärung/MacIntyre: In Nietzsche erkennt MacIntyre den „Moralphilosophen der Gegenwart“ (1) Er habe das Versagen einer Rationalisierung der Moral diagnostiziert und die Konsequenzen aus diesem Zustand gezogen. Er demaskierte die Moral als einen untergründigen Willen zur Macht. Er ist der „äußerste Gegner der aristotelischen Tradition“ (2). NietzscheVsAristoteles. >F. Nietzsche, vgl. >Aristoteles. 1. Alasdair MacIntyre, After Virtue. A Study in Moral Theory, Notre Dame, Ind. 1981. Dt: Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt/M. 2006 (zuerst 1987), S. 155 2. Ebenda S. 345 Jürgen Goldstein, „Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Objektivität | MacIntyre | Brocker I 656 Objektivität/Moral/Moderne/Aufklärung/Aristoteles/Thomas/MacIntyre: MacIntyre versucht, im Anschluss an Aristoteles und dessen Erneuerung durch Thomas von Aquin eine objektive Ethik zu rekonstruieren und sie gegen die in seinen Augen fehlgeschlagenen Anstrengungen der Aufklärung in Stellung zu bringen.(1) - MacIntyreVsAufklärung. >Aufklärung/MacIntyre, >Moral/MacIntyre, Antike Philosophie/MacIntyre. 1. Alasdair MacIntyre, After Virtue. A Study in Moral Theory, Notre Dame, Ind. 1981. Dt: Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend. Zur moralischen Krise der Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt/M. 2006 (zuerst 1987) S. 40. Jürgen Goldstein, „Alasdair MacIntyre, Der Verlust der Tugend“ in: Manfred Brocker (Hg.) Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2018 |
Brocker I Manfred Brocker Geschichte des politischen Denkens. Das 20. Jahrhundert Frankfurt/M. 2018 |
Vorurteile | Aufklärung | Gadamer I 275 Vorurteil/Aufklärung/Gadamer: Es gibt (...) sehr wohl auch ein Vorurteil der Aufklärung, das ihr Wesen trägt und bestimmt: Dies grundlegende Vorurteil der Aufklärung ist das Vorurteil gegen die Vorurteile überhaupt und damit die Entmachtung der Überlieferung. Eine begriffsgeschichtliche Analyse zeigt, dass erst durch die Aufklärung der Begriff des Vorurteils die uns gewohnte negative Akzentuierung findet. >Vorurteil/Gadamer. Unbegründetheit: Das deutsche Wort [Vorurteil] scheint durch die Aufklärung und ihre Religionskritik auf die Bedeutung „unbegründetes Urteil“ beschränkt worden zu sein.(1) Aufklärung: Das Fehlen der Begründung lässt in den Augen der Aufklärung nicht anderen Weisen der Gültigkeit Raum, sondern bedeutet, dass das Urteil keinen in der Sache liegenden Grund hat, „ungegründet“ ist. GadamerVsAufklärung: Das ist ein echter Schluss im Geist des Rationalismus. Auf ihm beruht die Diskreditierung der Vorurteile überhaupt und der Anspruch der wissenschaftlichen Erkenntnis, sie völlig auszuschalten. Gadamer I 276 [Die] von der Aufklärung entwickelte Lehre von den Vorurteilen (...) [bringt] die folgende grundlegende Einteilung derselben: Man müsse unterscheiden das Vorurteil des menschlichen Ansehens und das der Übereilung.(2) Diese Einteilung hat ihren Grund in dem Ursprung der Vorurteile im Hinblick auf die Personen, die sie hegen. Es ist entweder das Ansehen anderer, ihre Autorität, was uns zu Irrtümern verführt, oder es ist die in einem selbst gelegene Übereilung. Dass die Autorität eine Quelle von Vorurteilen ist, stimmt zu dem bekannten Grundsatz der Aufklärung, wie noch Kant formuliert: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.(3) >I. Kant. 1. Leo Strauss, Die Religionskritik Spinozas, S. 163 2. Praeiudicium auctorltatls et preclpltantiae: So Christian Thomasius schon in seinen lectiones de praeiudiciis (1689/90) und seiner »Einleitung der Vernunftslehre« c. 13, SS 39/ 40. Vgl. den Artikel bei Walch, Philosophisches Lexikon (1726), S. 2794ff. 3. Am Beginn seines Aufsatzes »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« |
Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |
Vorurteile | Gadamer | I 273 Vorurteil/Verstehen/Hermeneutik/Gadamer: Es ist ja nicht so, dass man, wenn man jemanden anhört, oder an eine Lektüre geht, alle Vormeinungen über den Inhalt und alle eigenen Meinungen vergessen müsste. Daher muss ein hermeneutisch geschultes Bewusstsein für die Andersheit des Textes von vornherein empfänglich seine Solche Empfänglichkeit setzt aber I 274 weder sachliche noch gar Selbstauslöschung voraus, sondern schließt die abhebende Aneignung der eigenen Vormeinungen und Vorurteile ein. Es gilt, der eigenen Voreingenommenheit inne zu sein, damit sich der Test selbst in seiner Andersheit darstellt und damit in die Möglichkeit kommt, seine sachliche wahrheit gegen die eigenen Vormeinung auszuspielen. >Verstehen/Gadamer, >Hermeneutischer Zirkel/Heidegger. Erst [die] Anerkennung der wesenhaften Vorurteilshaftigkeit alles Verstehens schärft das hermeneutische Problem zu seiner wirklichen Spitze zu. I 275 GadamerVsHistorismus: An dieser Einsicht gemessen zeigt es sich, dass der Historismus, aller Kritik am Rationalismus und am Naturrechtsdenken zum Trotz, selber auf dem Boden der modernen Aufklärung steht und ihre Vorurteile undurchschaut teilt. Es gibt nämlich sehr wohl auch ein Vorurteil der Aufklärung, das ihr Wesen trägt und bestimmt: Dies grundlegende Vorurteil der Aufklärung ist das Vorurteil gegen die Vorurteile überhaupt und damit die Entmachtung der Überlieferung. Eine begriffsgeschichtliche Analyse zeigt, dass erst durch die Aufklärung der Begriff des Vorurteils die uns gewohnte negative Akzentuierung findet. >Historismus, >Aufklärung. An sich heißt Vorurteil ein Urteil, das vor der endgültigen Prüfung aller sachlich bestimmenden Momente gefällt wird. Im Verfahren der Rechtssprechung hieß ein Vorurteil eine rechtliche Vorentscheidung vor der Fällung des eigentlichen Endurteils. Für den im Rechtsstreit Stehenden bedeutete das Ergehen eines solchen Vorurteils gegen ihn freilich eine Beeinträchtigung seiner Chancen. So heißt préjudice wie praeiudicium auch einfach Beeinträchtigung, Nachteil, Schaden. Doch ist diese Negativität nur eine konsekutive. Es ist gerade die positive Gültigkeit, der präjudizielle Wert der Vorentscheidung - ebenso wie der eines jeden Präzedenzfalles - auf dem die negative Konsequenz beruht. Unbegründetheit: Das deutsche Wort scheint durch die Aufklärung und ihre Religionskritik auf die Bedeutung „unbegründetes Urteil“ beschränkt worden zu sein.(1) Aufklärung: Das Fehlen der Begründung lässt in den Augen der Aufklärung nicht anderen Weisen der Gültigkeit Raum, sondern bedeutet, dass das Urteil keinen in der Sache liegenden Grund hat, „ungegründet“ ist. GadamerVsAufklärung: Das ist ein echter Schluss im Geist des Rationalismus. Auf ihm beruht die Diskreditierung der Vorurteile überhaupt und der Anspruch der wissenschaftlichen Erkenntnis, sie völlig auszuschalten. >Rationalismus. 1. Vgl. Leo Strauss, Die Religionskritik Spinozas, S. 163 |
Gadamer I Hans-Georg Gadamer Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010 Gadamer II H. G. Gadamer Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977 |