Lexikon der Argumente


Philosophische Themen und wissenschaftliche Debatten
 
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Ästhetik Hamann Gadamer I 94
Ästhetik/Hamann/Gadamer: Hamanns Versuch(1) ist dadurch ausgezeichnet, dass er wirklich auf die transzendentale Absicht Kants zurückgeht und so den einseitigen Maßstab der Erlebniskunst abbaut. Indem er das ästhetische Moment überall, wo es vorliegt, gleichmäßig herausarbeitet, treten auch zweckgebundene Sonderformen, wie die Monumentalkunst
Gadamer I 95
oder die Plakatkunst, in ihr ästhetisches Recht. Aber auch hier hält Hamann die Aufgabe der ästhetischen Unterscheidung fest. Denn er unterscheidet an ihnen das Ästhetische von den außerästhetischen Bezügen, in denen es steht, genau so, wie wir auch außerhalb der Erfahrung von Kunst davon sprechen können, dass jemand sich ästhetisch verhält. Dem Problem der Ästhetik wird also seine volle Weite wiedergegeben und die transzendentale Fragestellung wiederhergestellt, die durch den Standpunkt der Kunst und seine Scheidung von schönem Schein und rauher Wirklichkeit verlassen worden war. Das ästhetische Erlebnis ist indifferent dagegen, ob sein Gegenstand wirklich ist oder nicht, ob die Szene die Bühne oder das Leben ist.
GadamerVsHamann: Hamanns Versuch scheitert aber nun an der umgekehrten Stelle: am Begriff der Kunst, den er konsequenterweise aus dem Bereich des Ästhetischen so weit herausdrängt, dass er mit der Virtuosität zusammenfällt(2). Hier wird die „ästhetische Unterscheidung« auf die Spitze getrieben. Sie abstrahiert auch noch von der Kunst. Der ästhetische Grundbegriff, von dem Hamann ausgeht, ist die „Eigenbedeutsamkeit der Wahrnehmung“. Mit diesem Begriff wird offenbar dasselbe gesagt wie mit Kants Lehre von der zweckmäßigen Übereinstimmung mit dem Zustand unseres Erkenntnisvermögens überhaupt. >Ästhetische Wahrnehmung/Hamann.


1. Richard Hamann, Ästhetik, 1921
2. Richard Hamann, Kunst und Können, Logos, 1933

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977
Ästhetische Wahrnehmung Hamann Gadamer I 95
Ästhetische Wahrnehmung/Hamann/Gadamer: Der ästhetische Grundbegriff, von dem Hamann ausgeht, ist die „Eigenbedeutsamkeit der Wahrnehmung“. Mit diesem Begriff wird offenbar dasselbe gesagt wie mit Kants Lehre von der zweckmäßigen Übereinstimmung mit dem Zustand unseres Erkenntnisvermögens überhaupt. Gadamer: Was eigenbedeutsam statt fremdbedeutsam ist, will den Bezug auf das, woher sich seine Bedeutung bestimmen ließe, überhaupt abschneiden.
GadamerVsHamann: Kann ein solcher Begriff eine tragfähige Grundlage für die Ästhetik hergeben? Kann man den Begriff überhaupt von einer Wahrnehmung gebrauchen? Muss man nicht dem Begriff des ästhetischen auch zubilligen, was dem Wahrnehmen zukommt, nämlich, dass es Wahres vernimmt, also auf Erkenntnis bezogen bleibt? In der Tat tut man gut, sich an Aristoteles zu erinnern.
Wahrnehmung/Aristoteles/Gadamer: Aristoteles hat gezeigt, dass alle aisthesis auf ein Allgemeines geht, auch wenn es so ist, dass jeder Sinn sein spezifisches Feld hat und das in ihm unmittelbar Gegebene insofern nicht allgemein ist. Aber die spezifische Wahrnehmung einer Sinnengegebenheit als solche ist eben eine Abstraktion. In Wahrheit sehen wir, was uns sinnlich im einzelnen gegeben ist, immer auf ein Allgemeines
Gadamer I 96
hin an.(1)
A. GadamerVsHamann: Nun ist das Sehen gewiss dadurch ausgezeichnet, dass es den Anblick nicht eilends auf ein Allgemeines, die gewusste Bedeutung, den geplanten Zweck oder dergleichen bezieht, sondern bei dem Anblick als ästhetischem verweilt. Aber wir hören doch deshalb nicht auf, im Sehen derart zu beziehen, z. B. diese weiße Erscheinung, die wir ästhetisch bewundern, dennoch als einen Menschen zu sehen. Unser Wahrnehmen ist eben niemals eine einfache Abspiegelung dessen, was den Sinnen gegeben ist.
Vielmehr hat die neuere Psychologie, insbesondere die scharfsinnige Kritik, die Scheler ebenso wie W. Koehler, E. Strauß, M. Wertheimer, u. a. an dem Begriff der reinen, Wahrnehmung geübt hat(2)
lehrt, dass dieser Begriff einem erkenntnistheoretischen Dogmatismus entspringt.
B.
GadamerVsHamann: Auch die als adäquat gedachte Wahrnehmung würde niemals ein einfaches Abspiegeln dessen sein, was ist. Denn sie bliebe immer ein Auffassen als etwas. Jedes Auffassen als [etwas] artikuliert das, was da ist, indem es wegsieht von [etwas],, hinsieht auf [etwas] , [etwas] zusammensieht als [etwas] - und all das kann wiederum im Zentrum einer Beachtung stehen oder am Rande und im Hintergrunde bloß werden. So ist es kein Zweifel, dass das Sehen als ein artikulierendes Lesen dessen, was da ist, vieles, was da ist, gleichsam wegsieht, so dass es für das Sehen eben nicht mehr da ist; ebenso aber auch, dass es von seinen Antizipationen geleitet
was gar nicht da ist.
Diese Kritik an der Lehre von der reinen Wahrnehmung, die von der pragmatischen Erfahrung aus geübt worden ist, ist dann von Heidegger ins Grundsätzliche gewendet worden. Damit gilt sie aber auch für das ästhetische Bewusstsein, obwohl hier das Sehen nicht einfach über das Gesehene z. B. auf seine allgemeine Brauchbarkeit zu etwas, sondern beim Anblick verweilt. Verweilendes Schauen und Vernehmen ist nicht einfach Sehen des reinen Anblicks, sondern bleibt selbst ein Auffassen als ...
Gadamer I 97
Kunst/Wahrnehmung: Die Seinsart des Vernommenen ist nicht Vorhandenheit. Wo es sich um bedeutungshafte Darstellung handelt, z. B. bei Werken der bildenden Kunst, soweit sie nicht ungegenständlich-abstrakt sind, ist die Bedeutungshaftigkeit für das Lesen des Anblicks offenkundig leitend. Nur wenn wir das Dargestellte „erkennen“ vermögen wir ein Bild zu „lesen“ ja, nur dann ist es im Grunde ein Bild. >Sehen/Gadamer. C.
Form/Inhalt/GadamerVsHamann: Es ist daher ein verkehrter Formalismus, der sich überdies Kant berufen darf, die Einheit des ästhetischen Gebildes im Gegensatz zu seinem Inhalt allein in seiner Form zu suchen. Kant hatte mit seinem Begriff der Form etwas ganz anderes im Auge. Nicht gegen den bedeutungsvollen Inhalt eines Kunstwerks, sondern gegen den bloß sinnlichen Reiz des Stofflichen bezeichnet bei ihm der Formbegriff den Aufbau des ästhetischen Gebildes. >Form und Inhalt/Gadamer.


1. Aristoteles, De anima, 425 a 25.
2. M. Scheler, in »Die Wissensformen und die Gesellschaft«, 1926, S. 397 ff. Jetzt Ges. Werke 8, S. 315ff.

Gadamer I
Hans-Georg Gadamer
Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik 7. durchgesehene Auflage Tübingen 1960/2010

Gadamer II
H. G. Gadamer
Die Aktualität des Schönen: Kunst als Spiel, Symbol und Fest Stuttgart 1977